Ökonomics
Warum die Reichen reich und die Armen arm sind...
Autor: Tim Harford, Ökonom im Dienste der Financial Times, auch der Weltbank und an der Universität Oxford
Verlag: Riemann, 1. Auflage, 2006
Der Untertitel sagt alles Wesentliche zum Inhalt des Buches. Ein herrlich humorvoll, pragmatisch und verständlich geschriebener (und gelungener!) Versuch, die großen und kleinen Fragen der (Welt-) Wirtschaft anschaulich zu beantworten.
Durch dieses Buch kann sich niemand mehr hinter dem Argument: "Die Wirtschaft ist so kompliziert. Ich verstehe nichts und deswegen halte ich mich raus." verstecken. Ab sofort ist es hiermit möglich, Zusammenhänge wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen und ein Grundverständnis zu entwickeln.
Mit diesem Buch erhalten wirtschaftliche Outsider die Chance, leichtfüßig in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge eingeführt zu werden. Für einen Ökonomen aus Fleisch und Blut wird manches wohl zu oberflächlich sein, denn letztlich lässt sich dies alles nicht in ein Buch von 370 Seiten pressen. Doch beginnt man automatisch tiefer in die scheinbar alltäglichen Gegebenheiten hineinzublicken.
Zum Beispiel: Wussten Sie, dass der Kaffeepreis Ihres Coffeeshops mehr mit der Ladenmiete und Ressourcenknappheit als mit der Qualität des Kaffees selbst zu tun hat? Und dass die Menschen durch ein moralisches Gewissen dazu bewegt werden können, angeblich "fairen Kaffe" zu trinken, der die Illusion auslöst, dass der arme Bauer in Nicaragua davon was abbekommt? Dafür ist doch mancher bereit ein paar Cent mehr zu bezahlen. Doch dies ist möglicherweise ein Selbstbetrug, das Geld steckt das Unternehmen ein. Hier wurde in einer Coffeeshop-Kette Folgendes angeboten:
Ein fairer Kaffee mit der Überschrift: Capuccino für Menschen mit sozialem Gewissen: Preis 1,85 Pfund
Capuccino für Menschen ohne soziales Gewissen: 1,75 Pfund.
Keinerlei Garantie, dass das Geld weitergeleitet wird. Doch: Wer traut sich da in aller Öffentlichkeit den Günstigeren zu bestellen?
Die sogenannte "Targeting-Strategie" macht sich die Eigenschaften der Kunden zu nutze, dass bestimmte Zielgruppen bereit sind, mehr zu bezahlen – warum auch immer. Diese herauszufiltern ist ihr Ziel. "Die besten Preis-Targeting-Taktiken kombinieren die passgenaue Feinjustierung des Preisgefüges mit einem Appell ans soziale Gewissen." (S. 66)
Eine weitere Verbindung zwischen Ressourcenknappheit und Preis wird mit dem Kaffeepreis erklärt. Beispielsweise finden Sie an jeder stark frequentierten U-Bahnhaltestelle in Großstädten Coffeeshops. Dort ist der Preis deutlich höher als 500 Meter weiter hinten. Dies liegt am günstigen Platz. Ein echter Standortvorteil, da die Zielgruppe aufgrund der Zeitknappheit eher bereit ist mehr zu bezahlen als Geld zu sparen. Hier ist also die Ressourcenknappheit der Menge von Coffeeshops bei U-Bahn-Stationen ein Grund für den Preis. Usw. usw.
Diese Taktik durchzieht das ganze Buch. Anhand konkreter Beispiele werden einfache Kreisläufe erklärt. Er wägt auch pfiffig die Vor- und Nachteile dieser "Tricks" ab und kommt zum Ergebnis, dass Wettbewerb gut ist, und letztlich ein selbstregulierender Markt besser funktioniert als ein stark institutionell gesteuerter. Doch auch hier gibt es Einwände. Staaten, die besonders arm sind, (hier das Beispiel Kamerun) kommen nicht in die Gänge. Warum bleiben trotz hoher Unterstützung viele Länder arm? Dies liegt weder daran, dass die Menschen dort dümmer wären, noch dass zu wenig Geld da ist. Die Antwort ist Korruption. Und Korruption existiert nur, wenn wenige Gesetze vorhanden sind, bzw. Regierungen undemokratisch gewählt werden. Die Herrschenden denken dann mehr an sich und weniger ans Volk. Sie wollen einfach in ihrer kurzen Amtszeit soviel Geld wie möglich auf die Seite schaffen. Würde ein Minister dort demokratisch – also nach dem wirklichen Willen des Volkes - gewählt werden, würden Gesetze regeln, wofür Geld ausgegeben werden sollte, hätten auch diese Länder eine Chance. Klingt natürlich jetzt in dieser Rezension schrecklich platt und plakativ. Doch sind seine Ideen mehr als inspirierend. Er räumt mit Mythen auf und wagt provokante Thesen.
Transparenz über den Preis und echter Wettbewerb sind seiner Meinung nach wesentliche Parameter für eine funktionierende Wirtschaft. "Problemzonen sind: Konzentration von Marktmacht, fehlende Information und Nebeneffekte…" (S. 120).
Um günstige und ungünstige Verläufe zu verstehen, geht es ihm darum, die Motivation der Beteiligten zu untersuchen. Erst dann kann man Effekte richtig interpretieren bzw. gezielte Steuerung in Abläufe einbauen. “Sinnvollerweise setzt sich der Undercover-Ökonom einmal mehr mit der Motivation aller Beteiligten auseinander, um einen klaren Blick zu bekommen.“ (S. 283). So fällt es einem gelegentlich wie Schuppen von den Augen, warum wohlmeinende Hilfen in Entwicklungsländern einmal funktionieren, ein andermal völlig misslingen. Die Interessen der Einzelnen wurden eben nicht richtig berücksichtigt.
Auch das Thema "Globalisierung" und ihre Auswirkungen wird angeschnitten. Hier wird den platten Globalisierungsgegnern mit nachvollziehbaren Argumenten das Wasser abgegraben. "Der Ökonom David Friedmann meinte einmal, Amerika habe zwei Möglichkeiten Autos zu produzieren. Man könne sie in Detroit bauen oder in Iowa anbauen. Wenn man sie in Iowa baue, dann geschehe das mit Hilfe einer bestimmten Technologie, die Weizen in Toyota verwandelt: Man verlädt den Weizen auf Schiffe und schickt diese in den pazifischen Ozean hinaus. Bald darauf kehren sie mit Toyota beladen zurück." (S. 306)
Die Befürchtung, Arbeit durch Globalisierung zu verlieren, entkräftet er mit der Feststellung, dass alle einfach das tun sollten, was sie am besten können. Dies wäre wirtschaftlich gesehen ein guter Weg für Produktivität und ausgeglichenen Handel. Er spricht sich klar gegen Handelsbarrieren aus, da sie nur den Lobbygruppen helfen und nicht der Gesamtbevölkerung.
Interessant auch das Kapitel über Chinas raschen Aufstieg zu einer der größten Wirtschaftsmächte in atemberaubend kurzer Zeit. Hier werden politische Zustände und wirtschaftliche Regeln intelligent aufgezeigt und miteinander verbunden.
Ein etwas anderes Buch über Wirtschaft! Wirklich empfehlenswert für alle, die bisher Berührungsängste hatten! Und vielleicht auch für die, die glauben zu wissen, wie es läuft und bereit sind diese Annahmen zu hinterfragen.