Abgewirtschaftet

Das Daimler-Disiater geht weiter

Autor: Jürgen Grässlin

Verlag: Knaur, 2005/2007

Dieses Buch wird Ihre Sicht auf Deutschland und unsere großen Vorzeigekonzerne verändern. Eine Pflichtlektüre für alle, die eine Ahnung erhalten wollen, was sich tatsächlich hinter den Kulissen abspielt. In diesem Fall eine Zeitstudie zu dem Aufstieg und Niedergang der Karriere Schrempp.

Was Sie hier zu lesen bekommen wird mindestens Ihre Sicht auf Konzerne und unseren Staat aufklärend erweitern.
Herr Grässlin begleitet in seiner Rolle als Journalist und selbst als Mitglied  der „Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“ über viele Jahre den Konzern Daimler und hat sich besonders mit dem Aufstieg und Fall von Herrn Schrempp auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist der vorliegende, nicht immer sachliche, aber dafür erschütternde Bericht.

Selbst wenn man Abstriche machen möchte, die wegen der emotionalen Aufladung der Darstellung womöglich manche Objektivität vermissen lassen, bleibt wenigstens bei der Rezensentin ein Erschrecken über die Mechanismen die wohl nicht nur bei Daimler das Geschehen bestimmen, zurück.

Hier die Themen:


Es geht um die „Welt-AG“ als Hochzeit im Himmel mit Chrysler, de ja bekanntlich dann heftig auf die Erde aufschlug.


Um das Produktdesaster bzgl. des Smart, des Maybach, der Verknüpfung mit EADS (hier hatte UNICEF übrigens seine Kooperation mit Daimler eine zeitlang unterbrochen, da Daimler sich an der Produktion von Streumunition und anderen Rüstungsgeschäften beteiligt hat).

Sehr schwer verdaulich das ausführliche Kapitel zum Thema „Graumarkt“ und wie besonders 2 Menschen hier gezielt unter Druck und fast zerstört wurden.

Um das Bilanzdesaster und die nie eingehaltenen Aktienversprechen. 

Und letztlich das Ende von Herrn Schrempp, das unrühmlich und peinlich von statten ging.

In dieser Rezension wird das Thema „Graumarkt“ kurz herausgegriffen, da es die nicht fassbare Verbindung zwischen Daimler und dem deutschen Staat in Verkörperung des  Stuttgarter Landesgerichtes aufzeigt, das es fertig bringt, letztlich freigesprochene Menschen, bis zu 2,5 Jahre unter unwürdigsten Bedingungen in der JVH Stammheim gefangen zu halten. Es geht um Herrn Schweinle und Herrn Teich, die angeblich an den Graumarktgeschäften bzgl. des Exports von Autos ins europäische Ausland aktiv beteiligt waren. Ob sie letztlich so unwissend waren, wie es hier im Buch geschildert wird, bleibt zu bezweifeln. Doch was sie in Person erleben mussten, eine Behandlung wie sie kaum Schwerverbrechern, Mördern oder Sexualstraftätern zugemutet wird, macht Deutschland als angeblich freies demokratisches Land mehr als fragwürdig. Diese Verhältnisse vermutet man eher im tiefsten Asien.


Hier einige persönliche Berichte aus der Zeit zwischen 2001 und 2004 (ab S. 177)
„Was folgte, hat Schweinle als Isolationshaft erlebt: 23 Stunden am Tag allein in einer 8,2 qm kleinen Zelle. Erlaubt war ein einstündiger Hofgang auf dem Dach des mehrstöckigen Gebäudes, wo die Inhaftierten im Winter Wind und Wetter ausgesetzt waren. ... Schweinle hat Pech, es war ein eisig kalter Winter. Mehr als einmal fiel die Heizung aus, und dann herrschte im 4. Stock klirrende Kälte: bis zu 15 Minusgrade tagsüber, nachts deutlich darunter. Schweinle protestierte vehement gegen die Haftbedingungen und wurde schließlich innerhalb der Abteilung verlegt... Weil er angesichts der dünnen Bettdecke Erfrierungen fürchtete, wickelte er sich das Handtuch um den Kopf und versuchte in voller Montur zu schlafen, was in dem heruntergekommenen Bett kaum möglich war ... Gerhard Schweinle litt schwer unter der Trennung von seiner Familie (ihm wurde erst nach 4 Wochen Inhaftierung ein erster Besuch seiner Frau erlaubt S. 179)) und den Haftbedingungen in Stammheim. Nicht lange nach der Einlieferung erlitt er einen Hörsturz, der anfangs nicht einmal behandelt wurde. ... Die Essensration war knapp bemessen. Erst nach einer Beschwerde über den Gefangenenrat wurden mehr Brot und Speisen ausgegeben. Zu trinken erhielten die Gefangenen Tee oder Kaffeeersatz, jedoch kein Mineralwasser oder andere Getränke. Wer Durst hatte musste im Winter das eiskalte Leitungswasser trinken ....“
Etc. . Das Buch liest sich in diesem Kapitel wie ein billiger Wirtschaftskrimi, der Zustände in Gefängnissen in Russland oder Südamerika beschreibt. Doch all dies geschah vor nicht weniger als 5 Jahren hier in Deutschland, einem Mann, der letztlich vom Bundesgericht in Leipzig auf freien Fuß gestellt wurde. Das Gericht fand die Begründungen aus Stuttgart oberflächlich, einseitig zu Gunsten Daimler und in der durchgeführten Schärfe völlig unangemessen. Bitte beachten Sie dazu auch u.s. Nachrichtenmeldung aus 2007!

Welcher Größenwahn Herrn Schrempp in seinem Tun über all die Jahre und auf unterschiedlichsten Ebenen geleitet haben muss wird gut erkennbar in seinen persönlichen Worten aus 1999: Es geht um die Beendigung der Kooperation mit Fokker und seinem Beginn als Vorsitzender bei Daimler: „ Sie können mich arrogant nennen, das ist mir egal.“ Was danach folgte, konnte sich tatsächlich nur jemand bar jeglicher Kontrolle erlauben: „ Ich bin der erste Topmann, der 2,3 Mlrd. Mark verspielt hat und dann auch ohne Umschweife sagt: das war ganz alleine meine Schuld“, erklärte Schrempp und ergänzte: „Während andere Manager für 50 Mio. entlassen werden, stehe ich hier noch. Finden Sie das arrogant? ..... Daimler Benz braucht mich mehr, als ich Daimler Benz.“

Ob andere Großkonzerne so viel anders ticken (man denke an VW etc) ist zweifelhaft, doch die Lektion die das Buch erteilt ist sicherlich mindestens folgende: Macht und Geld spielen in unserem scheinbar ach so demokratischen und die Grundrechte jedes Bürgers achtende Staat die wohl letztlich haupt bestimmende Rolle. Und hat man beides nicht auf seiner Seite, kann man unversehens zum Schwerverbrecher ohne wirklich etwas verbrochen zu haben.

Jedoch sind darüber hinaus auch die anderen Themen sehr interessant hier im Zeitraffer die Geschehnisse der Ära Schrempp nach zu vollziehen.

Auf jeden Fall ein spannendes und ernüchterndes Buch, das seinen Preis im Taschenbuchformat mehr als wert ist!

Anmerkung der Rezensentin:
Im Rahmen der Recherche zu diesem Buch, fand sie folgende Meldung vom 1.12.2007 im Internet unter: 
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www.morgenpost.de/content/2007/12/01/wirtschaft/934805.html
Daimler zahlte Schadenersatz in Millionen-Höhe
Daimler hat fünf Jahre nach der Kündigung seines langjährigen Logistikdienstleisters Gerhard Schweinle Schadenersatz von fast einer Million Euro gezahlt. Die fristlose Kündigung der Verträge sei unrechtmäßig gewesen, sagte Schweinle. Daimler bestätigte die Zahlung nach langem Rechtsstreit über zwei Instanzen im Wesentlichen. Rtr
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