Spielregeln

Wie wir miteinander umgehen sollten

Autor: Moritz Freiherr Knigge

Verlag: Lübbe, 1. Ausgabe 2004

Wer glaubt, dass „Knigge“ etwas mit der Art und Weise das Weinglas zu halten zu tun hat, wird spätestens von seinem Urenkel eines Besseren belehrt. Es geht nämlich um viel mehr. Respekt, Höflichkeit, Integrität und Zivilcourage sind nur einige der Begriffe, die uns Herr Freiherr Knigge nahe bringen will. Eine zeitgemäße und mutige Übertragung des bekannten Werkes „Über den Umgang mit Menschen“ seines Vorfahrens.  

Sie glauben, dass unter Knigge die heute gängigen Umgangsregeln in den besseren Kreisen, auch als Businessetikette bekannt, gemeint sind? Weit gefehlt. Herrn Adolph Freiherr Knigge ging es, genauso wie heute seinem Urenkel Moritz Freiherr Knigge, um das gelingende Miteinander der Menschen. Eben tatsächlich um den Umgang, der durch Lebensklugheit zur Lebensart wird.


In diesem wunderbaren Buch werden Sie mit ganz alltäglichen Themen konfrontiert, wie der respektvolle Umgang mit Verkäuferinnen in einem Supermarkt, oder das angemessene Verhalten mit unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Situationen. Es geht um Selbstbewusstsein, welches sich unterscheidet von dem Glauben selbst der Tollste zu sein und dem Mut eigene Meinungen angemessen zu kommunizieren. Es geht um die Toleranz denen gegenüber die eine andere Sicht der Dinge haben und das Rücksichtnehmen auf die, die schwächer zu sein scheinen als wir selbst. 
Es geht ihm aber auch um die großen Themen wie Kultur, Tradition, Sinn, Werte und gesellschaftspolitische Verantwortung.  


Als er das Buch schrieb, war er selbst 36 Jahre alt und es ist erstaunlich welch gründliche, reife und ernsthafte Arbeit ein vergleichsweise junger Mann hier vorgelegt hat. Wahrscheinlich hat ihm sein Urahn ein wenig über die Schulter geschaut und Tipps gegeben. 

 

Doch nun zu den konkreten Inhalten. Hier folgen die Kapitel diesem  Aufbau: Nach der Überschrift folgt ein Zitat des „Alten Knigge“ dem sich dann 1-10-seitige Ausführungen des „Jungen Knigges“ anschließen. Jedes Kapitel wird mit einer „Spielregel“ beendet, die sowohl das Anfangszitat als auch die zeitgemäßen Ausführungen auf den Punkt bringen.  

Ein Beispiel:

Aus dem Teil 1: Zeit

Mehr als lecker italienisch essen gehen – Über Glück und Lebenskunst

Glücksverkäufer

„Überhaupt rate ich, um glücklich zu leben und andere glücklich zu machen, in dieser Welt so wenig wie möglich zu erwarten und zu fordern.“ Über den Umgang mit Menschen, 1,1,53 

  - Ausführungen -  

16. Spielregel

In äußeren Lebensumständen ist das Glück nur dann zu finden, wenn wir die Fähigkeit zum Glücklichsein mitbringen. Dazu gehören Empfänglichkeit, Aufnahmebereitschaft und Genussfähigkeit, aber auch die Kunst, das zu schätzen was man hat. Erzwingen lässt sich das Glück jedenfalls nicht. Und was sich erzwingen lässt, ist kein Glück. (S. 136-146)

 

Hier ein Auszug der Inhaltsangabe:

Teil 1 Lebensklugheit im Umgang mit seiner Zeit

  • Alles normal, alles o.k.? – Über Verschiedenheiten
  • Der Aufstand der Anständigen – Über Moral und Tabus
  • Einer muss in Führung gehen? – Über Konkurrenz und Konflikte
  • …..

Teil 2 Lebensklugheit in unterschiedlichen Situationen

  • Wie wir uns erlauben können fremd zu bleiben – Über Höflichkeit
  • Auf den Anknüpfungspunkt kommt es an – Über die Kunst des Gesprächs
  • Das ist mir zuviel! – Über den Umgang mit Leid und Tod
  • …..

Teil 3 Lebensklugheit im Umgang mit unterschiedlichen Menschen

  • Wenn wir nicht erziehen, erziehen andere – Über Erziehung
  • Wissen allein macht nicht glücklich – Über Schule und Bildung
  • Eltern, Verwandte, Nachbarn – Über den Umgang mit Menschen, die ich mir nicht ausgesucht habe
  • Die Kunst wieder zu Atem zu kommen – Über den Umgang mit Pfarrern und Mönchen
  • Firma essen Seele auf? – Über den Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten
  •  …..

 

Die 365 Seiten sind gefüllt mit Sätzen die man lieber abschreibt als sie kurz zusammenzufassen. Der Autor bemüht sich, die altertümliche Sprache seines Vorfahrens zu berücksichtigen und bleibt auch in der Schriftform außerordentlich kultiviert und höflich. Dies mag für den einen oder anderen merkwürdig anmuten. Doch wird es zum Genuss, lässt man sich in diese Welt der respektvollen Distanz und unaufdringlichen Nähe hineingleiten.

 

Mit diesen Zitaten werden Sie vertraut gemacht in seinen Stil und Denkweise:

Über Höflichkeit:

„Denn Höflichkeit ist die Kunst, Unterschiede auszugleichen, ohne sie anzutasten, Distanz zu überbrücken, ohne sie aufzuheben, sich näher zukommen, ohne sich anzubiedern – die bürgerliche Demokratie aber macht die Gleichheit aller Bürger zur Grundlage für das menschliche Miteinander und entzieht der Höflichkeit damit gewissermaßen ihren Mutterboden „ (S. 163)

Über Zivilcourage:

„Damit müssen wir rechnen, wenn wir den Mund aufmachen und womöglich eingreifen sollten: dass wir keinerlei Rückendeckung erhalten und nur für uns sprechen werden und die Folgen alleine auszubaden haben – ganz egal wie viel sonst noch unserer Meinung sein werden. Und dabei wäre den Gaffern und Wegschauern aus ihrer Gleichgültigkeit noch nicht einmal ein Vorwurf zu machen, denn etwas Ungeheuerliches wird ihnen abverlangt: Sich zu etwas zu bekennen, das sie bis gerade eben noch für ihre Privatsache gehalten haben.“ (S. 228)

 

Sicherlich setzt diese Lektüre mindestens ein Empfinden für das, was man wohl als kultivierten Umgang versteht, voraus. Denn die Verfeinerungen sind wahrscheinlich besser nachzuvollziehen, wenn man zu mindest das „Grobe“ kennt. Dass man sich unwillkürlich immer wieder ertappt fühlt bei eigener Nachlässigkeit, eigener Ignoranz und Respektlosigkeit anderen gegenüber, ist wahrscheinlich eine gewollte Wirkung. Die sollte man auch mit bewusst einkalkulieren.
 

Auch ist es nicht nötig ihm bei allem zuzustimmen. Die Denkanstöße und Anregungen alleine machen das Buch wert gekauft zu werden.
 

Das Buch selbst liegt inzwischen auch als Taschenbuch vor, ist jedoch als gebundene und geschmackvoll gestaltete Ausgabe ein hervorragender Geschenktipp für fast alle Lebenslagen. 

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