Systemische Strukturaufstellungen
Theorie und Praxis
Autorin: Insa Sparrer, Mitbegründerin (neben Herrn von Kibed) der Systemischen Strukturaufstellung u.v.m.
Verlag: Carl Auer, 1. Ausgabe, 2006
Mit diesem Buch wird ein Schlussstrich gezogen, unter das Kapitel: Zweifel an dieser Methode und ihrer theoretischen Fundiertheit. Es wird kaum vergleichbar präzise beschriebene Beratungsmethoden geben, die sich derart gründlich und differenziert dem komplizierten System Organisation / Familie / Team etc. nähern. Auch offene Fragen werden ehrlich angesprochen und weiterer Forschung empfohlen.
Was ist eigentlich die Organisationsaufstellung, oder hier von der Autorin:„Strukturaufstellung“ genannt? Dieser Begriff liegt gleichsam unter den diversen Aufstellungsformen, Die Autorin stellt diese in ihren grundlegenden Regeln und Vorgehensweisen dar. Seit vielen Jahren ist diese Methode sowohl in psychotherapeutischen Kreisen in Bezug auf Familiensysteme im Gespräch und ein zunehmend verwendetes Werkzeug zur Klärung der familiären Beziehungen. Seit ca. 10 Jahren findet sie auch verstärkt Anwendung in der Beratung von Unternehmen, und kann auch hier positive Erfolge verzeichnen. Mit diesem Buch erhalten Sie eine anspruchsvolle, für systemisch ungeübte Leserinnen nicht immer leicht zu verstehende Einführung in diese äußerst differenzierte Methode. Jedoch lohnt sich bereits die Auseinandersetzung mit den eingängigen Kapiteln und Thesen.
Folgende Themen werden Ihnen auf knapp 240 Seiten näher gebracht.
1. Was sind Systemische Strukturaufstellungen (SySt)?
2. Wurzeln der Systemischen Strukturaufstellungen
3. Zur Grammatik der Systemischen Strukturaufstellungen
4. Praxis der Systemischen Strukturaufstellungen
Übliche Erläuterungen zu Literatur, Autorin etc.
Die Autorin schlägt einen weiten Bogen über kulturelle, psychologische und philosophischeDenkrichtungen und bedient sich aus all diesen Bereichen, um ihr Modell vorzustellen undzu begründen. Sowohl schwerpunktmäßig systemisch Ansätze, wie Lösungsfokussierung und Konstruktivismus, als auch NLP, Wittgenstein, das Tetralemma gespeist aus dem Buddhismus u.v.m. kommen zu Wort. Dies mag nach Bauchladen aussehen. Trifft hier aber nicht zu. Jede Theorie wird wohlbegründet eingeführt und hinterlässt Spuren in derStrukturaufstellung. Auch die inhaltlich begründete klare Abgrenzung zur Aufstellungsarbeit von Bert Hellinger, die in therapeutischen Kreisen immer wieder zu heißen Diskussionen führt, bleibt sachlich und fachlich anspruchsvoll. Jedoch wird klar, dass hier zwei völlig verschiedene Weltanschauungen und Menschenbilder den beiden Methoden zugrunde liegen.
Im Kapitel 3. zur sogenannten Grammatik werden einzelne Modelle genauer vorgestellt. Dies soll exemplarisch an dem Tetralemma gezeigt werden, welches die Rezensentin bereits persönlich erlebt hat. Die angenehme und befreiende Wirkung auf eigene Denkblockaden kann persönlich bestätigt werden. Das Tetralemma benutzt 5 verschiedene Positionen, die vom Klienten / Teilnehmer / Fragenden in folgender Reihenfolge eingenommen werden können:
1. Das Eine (gemeint ist eine Haltung, eine Meinung, ein Aspekt der
Gesamtfrage)
2. Das Andere (gemeint ist das Gegenteil, das statt dessen dieses Aspektes)
3. Beides (gemeint ist eine Verbindung zwischen beiden Seiten)
4. Keines von beidem (das weder noch oder auch das Übersehene im Kontext,
bzw. der übersehene Kontext der Fragestellung)
5. All dies nicht und das auch nicht (gemeint ist hier die Musterunterbrechung,
das Neue, der Schritt auf eine neue Ebene)
Diese Positionen werden auch räumlich bspw. mit Stühlen definiert. Auf jeder Position kann die Leitende mit dem Fragenden auftauchende Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen etc. im Gespräch reflektieren. Manchmal gelingt es nicht zur Position 5 zu kommen, da die vorherigen Positionen mehr Aufmerksamkeit benötigen. Dann werden diese eben erneut
aufgesucht und betrachtet.
In anderen Formen der Aufstellung werden sogenannte Repräsentanten benutzt, die sich an Stelle der Fragenden (hier Fokus genannt) Person auf verschiede Plätze stellen und diese Aspekte repräsentieren. Die dort auftauchenden Wahrnehmungen und Veränderungen werden als repräsentierte Wahrnehmung bezeichnet. Das merkwürdige bei Aufstellungen ist ja bekanntlich, dass häufig diese Repräsentanten genau die Gefühle,
Gedanken und Wahrnehmungen in sich erleben, welche die Aufstellende in sich trägt. Der fachliche Diskurs, wie weit diese Übertragungsphänomene nun das subjektiv Innere der Repräsentanten darstellen oder tatsächlich von der Aufstellenden quasi stammen, lässt sich schwer endgültig klären. Daher der Begriff repräsentierende Wahrnehmung, denn es wird mehr Wert darauf gelegt, was mit der Rolle der jeweiligen Position zu tun hat, als mit
den individuellen Befindlichkeiten der Repräsentanten.
Weitere Aufstellungsmodelle sind die Problemaufstellung, die Lösungsaufstellung u.a. .
Im letzten Teil werden ausführlich und ganz genau Praxisbeispiele wiedergegeben. Hier werden wörtliche Darstellungen der Gespräche mit theoretischen Begründungen aufgeführt, die zeigen dass jede Frage wohldurchdacht und präzise gesetzt wird.
Auch hier wird deutlich: Hier geht es weniger um ein Agieren aus dem Bauch, als um ein intelligentes, ganzheitliches Begreifen und Intervenieren in den jeweiligen Fragestellungen.
Ein anspruchsvolles Werk, das Geduld beim Lesen und echtes Interesse diese Methode begreifen zu wollen, voraussetzt. Doch lohnt es sich genau hinzuschauen und die komplexen Erklärungsmuster nachzuvollziehen – auch wenn dies nicht immer gelingt. Wer noch nie eine Aufstellung erlebt hat, wird wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, viele Darstellungen nachzuvollziehen. Doch besiegelt dieses Buch hier eine zeitgemäße Methode, an der man auch künftig nicht mehr vorbei kommen wird. Empfehlenswert!