Systemische Intervention in der

Mitarbeiterführung

Autor: Dr. Peter Steinkellner, Unternehmensberater, dipl. Coach und Kommunikationstrainer
Verlag: Verlag für systemische Forschung im Carl Auer Verlag, 1.Ausgabe, 2005

Ein echter Leckerbissen für die Feinschmecker systemischen Denkens. Einfälliger Beitrag (in Form einer Dissertation) wie systemisches Denken, auf dem Hintergrund fachlicher Präzision, Einzug in Managementaufgaben halten könnte (- sollte) und vielleicht auch wird. 

 Mit diesem Buch (über 350 Seiten, eng beschrieben Din A5) bemüht sich die systemische Forschung, theoretisch fundiert, ihre Möglichkeiten auch in der konkreten Führungstätigkeit auszuloten. Dass genau dieser Teil jedoch im Buch selbst etwas zu kurz kommt, und der Autor das Thema weitläufig einkreist, sollte man sich vorab klar machen.

Doch nun zum Inhalt:

In drei Hauptbereichen wird der historische als auch aktuelle Stand systemischen Denkens und Handelns aufbereitet:

A) Grundlagentheoretischer Bezugsrahmen

B) Systemische Interventionen in Therapie, Beratung und Coaching

C) Systemische Führung

Unter A) findet sich u.a. eine allgemeine Einführung in die historischen Wurzeln der Systemik (div. Richtungen des Konstruktivismus, div. Theorien sozialer Systeme, etc.) als auch kurze Streifzüge in angrenzende Theorien (z.B. Sozialpsychologie, Attributionstheorie u.ä.). Dies unterstützt das Verständnis der relativ komplexen Zusammenhängen und bereitet gründlich – wenn auch für Einsteiger wahrscheinlich streckenweise kaum noch nachvollziehbar – auf die praktische Anwendung vor.

Im Bereich B) werden unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten dargestellt und deren konkrete Methoden etwas ausführlicher besprochen. Bspw. werden diverse Fragetechniken konkret dargestellt und mit kleinen praktischen Beispielen greifbar gemacht.

Ausführlich beschreibt der Autor Hintergrund und Inhalt systemischer Therapie. Dies ist deshalb erwähnenswert, da bislang im Systemischen Coaching dieser Strang der Systemik wenig Beachtung fand. (Anmerkung der Rezensentin: Diese Berührungsängste mögen mit den berechtigten Abgrenzungsbemühungen zwischen Therapie und Coaching zu tun haben. Dadurch wurden jedoch auch die vorhandenen Ressourcen an Erfahrung, Technik und Kenntnis intra- und interpersonaler Dynamiken vernachlässigt.) Da er sich hier fast zitierend hauptsächlich an ein – für Insider wahrscheinlich bekanntes Werk „Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung“ von Schlippe/Schweitzer hält, wäre man mit einem Verweis, hier wohl etwas straffer vorangekommen. Da er dies jedoch als roten Faden nutzt, um Fragetechniken (Hypothesenbildung, Zirkuläres Fragen, Skulpturen und metaphorische Techniken, Fragen zur Wirklichkeitskonstruktion, Fragen zum Problemkontext, Kommentare etc.) auf die anderen Bereiche wie Coaching und Organisationsberatung anzuwenden, kann es als gelungene Auffrischung und praktische Anleitung gelten.

Seiner Differenzierung der systemischen Beratungsformen, könnte sich durchaus mehr fachliche Diskussion in Zukunft widmen. Hier wären sicherlich noch eindeutigere Abgrenzungsbemühungen hilfreich.

Im Bereich Organisationsberatung unterscheidet er zur Organisationsentwicklung. Die Beratung als solche ist gekennzeichnet, durch ein Beratungssetting, in dem ein Team von Beratern sich mit der gesamten Organisation beschäftigt. Dies unterscheidet sie vom systemischen Coaching. Hier berät ein Coach einen Klienten. Unterschieden wird hier zur „Supervision“, die historisch gesehen, eher als längerfristige Begleitung angelegt ist. (Anm. d. Rezensentin: Auch hier ist ein längst fälliges Aufräumen mit überholten Vorstellungen und Bildern dieses Beratungstyps angezeigt und wird hoffentlich bald den Weg frei machen für eine Synthese, der sich stark ergänzenden Ansätze!) Die Techniken und Interventionen sind in allen Bereich relativ ähnlich.

Wie folgt, wird dem Lesenden erklärt, was eigentlich der Unterschied zwischen dieser und anderen Beratungsrichtungen ist: „ Der Hauptunterschied zur traditionellen Unternehmensberatung besteht darin, dass die systemische Beratung theoriegeleitet und primär prozessorientiert arbeitet, traditionelle Beratung primär fach- bzw. inhaltsorientiert.“ (S. 183) Dies mag verallgemeinert auf alle dargestellten Bereiche anzuwenden sein. In der Praxis scheinen sich jedoch die Grenzen zunehmend zu verwischen.

Bereich C) beschäftigt sich nun endlich mit dem, eigentlich im Titel angekündigten, Themenkomplex der Anwendbarkeit systemischen Denkens auf den Führungsalltag. Hierzu werden aktuelle Managementansätze, die sich systemisch nennen, angerissen (St. Gallener, Münchner und Wiener Managementansatz). Der Autor beleuchtet sie kritisch und sieht die stärkste Übereinstimmung mit der aktuellen Systemtheorie durch die Wiener Schule verwirklicht.

Es folgen nun Experteninterviews zu Fragen systemischer Führungstheorie. Dieses Kapitel ist wohl der Tatsache geschuldet, dass es sich hierbei um eine Dissertation handelt. Für das allgemeine Publikum eher unwichtig.

Endlich gelangt er dann auf S. 279 zum versprochenen Thema: „Systemische Intervention als Führungselement“. Hier nutzt er erneut die diversen Interventionsmöglichkeiten aus dem Bereich B) des Buches, um sie auf ihre Wirksamkeit im Managementbereich zu überprüfen. Auch versucht er Antworten, auf die Frage zu geben, was denn nun „systemisches Führen“ sein kann und schließt mit einer allgemeinen Bewertung des Ansatzes ab.

“Systemisches Führen …heißt also, Sinn erkennen und erzeugen, Differenzen erkennen, Dissens fördern, Führen als Führungsversuch das autonome System anzusehen und das System anregen, irritieren.“ (S. 315). Systemisch Führen ist mehr Haltung als Managementmethode und bietet Führungskräften in unterschiedlichen Situationen Informationen zu generieren, Motivation zu erzeugen und Ziele zu erreichen.

Das Buch stellt eine gelungene Darstellung des aktuellen theoretischen als auch praktischen Standes der Systemik in ihren unterschiedlichen Anwendungsbereichen dar.

Zielgruppe werden in 1. Linie Systemiker sein, die mindestens ein Grundwissen der gängigen Ansätze mitbringen. Für Führungskräfte kann es Anstöße geben, das eigene Profil zu reflektieren und Grenzen und Möglichkeiten der Intervention im Rahmen von Mitarbeiter und Unternehmensführung bewusster zu werden.

Fazit: Ein gelungener Managementbeitrag. Es bedarf sicherlich weiterer Forschung und Diskussionen, um die wichtigen Erkenntnisse, auch einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu machen.

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