Einführung in den sozialen Konstruktivismus
Autoren: K.J. Gergen / M. Gergen
Verlag: Carl Auer compact, 2009, 1. Auflage
Der Konstruktivismus entwickelt sich zunehmend zu einer auch praktisch erfahrbaren Haltung und Sichtwiese. Mit diesem kleinen gut lesbaren Büchlein werden Sie mit den logischen Konsequenzen eines systemisch.-konstruktivistischen Verständnisses mit Blick auf das Zwischeneinander in Beziehungen und Gesellschaften vertraut gemacht.
Wer sich mit Konstruktivismus beschäftigt hat, wird hier nicht all zu viel Neues finden. Für alle anderen kann es eine gut verständliche Einführung in dieses denken sein. Wobei hier speziell der Blick auf das zwischenmenschliche gerichtet wird. Hat systemischer Konstruktivismus sich zunächts hauptsächlich mit der individuellen Wirklichkeitskonstruktion eines einzelnen Menschen beschäftigt, wird dieses Prinzip nun auf Beziehungen und gesellschaftlich Werte, Normen und Entwicklungen gelegt.
Dies erinnert schnell an Ansätze aus der Gestaltpsychologie oder auch an die Philosoph Martin Bubers, die genau dieses Thema in dem lesesnwerten Büchlein „Ich und Du“ aufgreift. So kann man sehen, dass es tatsächlich wenig Neues gibt, doch bestimmte Prinzipien sich immer wieder neu darstellen und sich uns anbieten.
Es geht um die Verbindung unserer Denkwelten, die bestimmte Erwartungen erzeugen. Je ähnlicher Denkwelten sind, umso harmonischer läuft es. Je weiter wir Menschen mental voneinander entfernt sind, umso weniger fühlen wir uns wohl und verstanden. Die Annahme man selbst sei richtig, der andere falsch, die Annahme von diversen Religionen die „Wahrheit“ gefunden zu haben, politische Systeme die anderen Ländern ihre regeln aufzwingen wollen, all das wird berührt. Dahinter steht – laut Konstruktivisten – die falsche Annahme, es gäbe den richtigen Weg. Interesse der Autoren ist es, uns in die Denkwelt anderen hinein zu begeben. Deren Konstruktion von Wirklichkeit kennen zu lernen um so ein gewisses Verständnis zu entwickeln, Toleranz zu üben. Wir interpretieren auf Grund unserer inneren Wirklichkeit die Welt sehr unterschiedlich. Was für den einen ein Glücksfall ist, kann für den anderen ein Problem darstellen.
Hier die Kapitel:
1. Das Szenarium sozialer Konstruktion
2. Von der Kritik zur Rekonstruktion
3. Soziale Konstruktion und professionelle Praxis
4. Forschung als Konstruktionspraxis
5. Von der Kritik zur Zusammenarbeit
Übliche Anhänge
Im 2. Kapitel wird bspw. Grundsätzliches und wohl diskussionswürdiges zur Kommunikation gesagt:
1) Die Äußerungen eines Individuums besitzen selbst keinen Sinn.
2) Bedeutungserzeugung wird durch ergänzende Handlungen verwirklicht.
„Kommunizieren heißt, anderen ein Privileg von Bedeutung zugestehen. Wenn andere unsere Äußerungen nicht als Kommunikation behandeln ... wenn sie es nicht fertigbringen, sich selbst um unsere Angebote herum zu koordinieren ..., dann haben wir es nicht geschafft, Sinn her zu stellen.“ (S. 34)
3) Ergänzende Handlung selbst erfordert auch wieder eine Ergänzung
4) Traditionen liefern uns Bedeutungsmöglichkeiten, aber sie determinieren nichts.
Sie sehen also: Denkanstöße gibt es etliche, anhand derer man seine eigene Haltung zum Konstruktionismus schärfen kann.
Die im letzten Kapitel formulierte kritische Auseinadersetzung mit der für manche Menschen unmoralischen Seite des pluralistisch wirkenden Denkmodells, ist interessant. Es geht den Autoren weniger um die Haltung „alles ist erlaubt“, als mehr um die Bereitschaft sich fremd erscheinendem auszusetzen und sich interdisziplinären Ansätzen zu öffnen. Da die Systemik diese Haltung ja quasi beinhaltet, ist dies nur folgerichtig.
Die Autoren zielen, in einer typisch amerikanischen Weise, auf das zueinander bezogen ab, in das wir automatisch eingebunden sind. Amerikanisch deswegen, weil es ihnen leicht fällt komplexe, für deutsche Systemiker vielleicht manchmal zu stark vereinfacht, Theorie praxisnah, lebensnah und pragmatisch zu erklären.
Zielgruppe sind alle die Lust haben sich mit Systemik, Konstruktionismus, gesellschaftliche Prozesse zu beschäftigen. Das kleine Taschenbüchlein ist eine leichte Kost und besonders für Neulinge gut geeignet.