"Ich hatte keinen Sex mit Monka Lewinsky!"

Luhmannsche Altagsbetrachtungen

Autor: Detlef Krause
Verlag: Carl-Auer, 1. Auflage 2007

Sex sells! Auch die Systemiker haben das inzwischen begriffen. Doch da sie es ja genauso lieben, Menschen in ihren Vorannahmen zu enttäuschen, verbirgt sich hinter diesem Titel so gar nichts anrüchiges (außer man findet das aufdecken von falschen Allerweltsannahmen anrüchig), sondern viel kluges Durchdenken von scheinbar alltäglichen Gegebenheiten. Natürlich mit der systemischen Brille betrachtet.

 

Wie schon gesagt: Sex sells! Doch geht es bei der Episode um Mr. Clinton und seine (tja was eigentlich?) Liebschaft / Affäre / oder eben doch keine sexuelle Begegnung...um genau das: Mit welchen allgemein geläufigen Grundannahmen rechtfertigen, erklären, beobachten wir die Welt in und um uns. Und in welchem Verhältnis stehen gesellschaftliche Werte, Richtlinien, politische Entscheidungen, persönliche Hoffnungen zu dem, worum es in der Systemik geht.

Herrn Krause gelingt es scheinbar selbstverständliches beinahe ad absurdum zu führen um es dann wieder verschmitzt in unsere Welt der Vertrautheiten hineingleiten zu lassen. Das macht ihm sowieso viel Spaß: Er nutzt die Systemtheorie um scheinbar vertrautes zu hinterfragen, uns zu entreißen oder leise in Frage zustellen. Unterzieht dieses dann einer gründlichen systemischen Untersuchung, um es uns dann ein wenig entmystifzierter an uns wieder abzuliefern.

Um was geht es also in diesem Buch?

Er verspricht zwar viel Luhmann, verweist auch kontinuierlich und in jedem Kapitel auf haufenweise Luhmannliteratur, doch geht er einen Schritt weiter. Letztlich sind des Kraus`sche Alltagsbetrachtungen.

Hier ein paar Kapitelüberschriften, die das Themenspektrum recht gut repräsentieren:

  • Ein Gespräch über Sinn
  • Von wegen freier Wille oder: Sind die Gedanken wirklich frei?
  • Können Computer kommunizieren? Mal sehn
  • Die Besonderheit Frau unter dem Systemskop
  • Die Gesellschaft ist an allem schuld! Irgendwie schon
  • Am Anfang war die Schöpfung. Jetzt gibt es Harry Potter. Oder: Evolution evoluiert
  • Über Demokratie und vom sich selbst überfordernden demokratischen Wohlfahrtsstaat
  • „So lügt man mit Statistik!“ Von der Instrukttheorie zur Konstrukttheorie der Erkenntnis
  •   .....


Insgesamt finden Sie in einem Taschenbuch auf ca. 260 Seiten allerlei zur systemischen Weltschau.

Da der Carl-Auer-Verlag das Werk in der Reihe „Systemtheorie/Gesellschaft“ veröffentlicht hat, soll man auch nicht meckern, wenn vieles recht kompliziert, komplex und hintergründig aufgedröselt wird. Doch wünscht man sich doch manchmal etwas schlichtere Satzkonstruktionen, die der Autor wohl absichtlich „wort (ver-)drehend“ aufbaut.

Lesen Sie selbst:

Aus dem Kapitel „Alles was recht/Recht ist“ eine interessante Entmystifizierung unseres Rechtssysems:

„Was bleibt, ist mindestens die Entzauberung von Gerechtigkeit als Leitidee des Rechtssystems. Gerechtigkeit fungiert als Kontingenzformel des rechtlichen Systems, symbolisiert nichts weiter, als dass getroffene und zu treffende Entscheidungen im Rahmen geltenden Rechts zueinander passen müssen. Mehr nicht.“ (S. 155)
Etwas weniger systemisch und dafür alltagstauglicher ausgedrückt könnte man auch sagen: „Vor Gericht bekommt man nicht recht sondern ein Urteil.“ Doch das wäre für einen waschechten Systemiker wohl zu simpel ausgedrückt.

Aus „Unmenschlich und unsozial?“ eine etwas weniger verständliche Einlassung zur sozialen (Un-)Gerechtigkeit:

„Soziale Ungleichheiten finden tatsächlich eher weniger Beachtung, wenngleich sie sich markiert finden als Ungleichheiten zwischen sozialen Segmenten und Schichten, als ungleiche reale Chancen formaler gleicher Möglichkeiten der Beteiligung an sozialen Systemen und auch als Gegenstand sozialer Hilfssysteme.“ (S. 197)

Was das Ganze jedoch zugleich zu einer „Bettlektüre“ macht, ist das gewählte Format. Alle Themen sind essayistisch auf ca. 3 Seiten beschränkt. Man taucht zwar sofort tief in theoretische Überlegungen ein, wird jedoch auch schnell wieder an die Oberfläche befördert und kann durchatmen. Der Autor bemüht sich zudem um einen gewissen Schuss (Selbst-) Ironie und versieht jedes Kapitel mit einem schmunzelnden Schlusssatz. Dass er Professor für Soziologie ist, kann er trotz allem nicht verheimlichen und erschwert damit dem „Normalleser“ die Nachvollziehbarkeit der Theoriekonstrukte.

Mit diesem Büchlein wird Systemtheorie in essbaren Portionen angeboten und mit einer frischen Brise Alltagsbezug dem werten Lesepublikum schmackhaft gemacht. Wer einfach Lust am philosophieren und „herum-rechts/links- quer und verschränkt- denken“ hat, ist hiermit gut beraten. Es geht weniger darum alles genau zu verstehen sondern Inspiration zu erhalten.

Nach-oben-SymbolDrucker-Symbol