Essenzen der systemischen

Organisationsberatung

Konzepte, Kontexte und Kommentare

Autor: R. Königswieser (Hrsg.), E. Sonuc, M. Hillebrand
Verlag: Carl-Auer-Management, 1. Ausgabe, 2006

Wer Frau Königswieser und Ihre Arbeit noch nicht kennt, lernt hiermit die aktuelle Königin systemischer Organisationsentwicklung in mehrfacher Hinsicht kennen: Sie selbst, teilweise auch in Coarbeit mit ihrem Team, schreibt über einzelne Projekte oder Themen aus der OE. Diese werden dann meist, von sympathisierenden Kollegen oder (Ex-)Auftraggebern kommentiert. Also echt systemisch: Die Beobachterposition ist integriert und das Buch regt so in zweierlei Hinsicht zum Nachdenken an.

 
Ein buntes Potpourri an Themen rund um Organisationsberatung wird hier komprimiert besprochen und durch Kommentare, eigene Erfahrungsberichte oder auch einmal ein Interview zwischen Verfasserin und einem Gegenüber, erweitert.

Im Kapitel 10: „Systemisches Integrationsmanagement – Das SIM Modell“ wird der Begriff „Widerspruchsintegration“ geprägt. Der Rezensentin war genau diese Aufgabe im Rahmen der Rezension gestellt. Nämlich sehr widersprüchliche Eindrücke zum vorliegenden Werk in ihre Rezension zu integrieren.

So stehen (mindestens) 2 Seiten einander gegenüber: Unter dem Titel „Ein Lesebuch von Königswieser and Friends“ hätte ihr das lesen und durchstöbern der höchst vielfältigen Themen Spass gemacht. Frau Königswieser zeigt sich als erfahrene Beraterin mit profunden Kenntnissen aus diversen psychologischen Richtungen. Im Kapitel „Gelassenheit“ wird viel Hesse zitiert und dem Buddhismus ein Zugang verschafft:

„Gelassenheit bedeutet, die vollen Widersprüche des Lebens durch sich durchzulassen.“ (S. 118). Sie bezieht sich auf Freud und die Notwendigkeit der Trauerarbeit: „Die einzige Möglichkeit aus einer Depression herauszukommen, besteht darin, in sie hineinzugehen.„ (S. 127).


Auch wenn dieser absolutistische Anspruch etwas abschreckt, ist sie bemüht die emotionalen Bereiche in Beratungsprozessen offen und professionell anzusprechen und Umgangsmöglichkeiten dafür anzubieten.

Interessant auch das erste Kapitel, in dem sie sich damit beschäftigt, warum ein systemisches Verstehen von Organisationen immer noch auf viel Skepsis stößt:
Traditionelle Wahrnehmungsmuster, Verunsicherung durch das Neue, Objektivitätsglaube, Machbarkeitsillusionen, Misstrauen in Selbstorganisation, Ganzheitlichkeitsdenken ist fremd, Individualismusideologie, Neuheitsanspruch und die Meinung dies sei ein Luxusmodell sind zwar nicht völlig neue doch nachvollziehbare Gründe, die sie identifiziert.

Die Kommentare der Kollegen oder auch Kunden, sind oft differenziert, klug, teils mit eigenen Überlegungen der Schreiber angereichert und geben neben dem reinen Kommentar häufig weitergehende Anstöße.

Nun heißt das Buch aber eben nicht wie oben gewünscht, sondern: „Essenzen der systemischen Organisationsberatung“. Hier taucht nun die 2. Seite der Ambivalenz auf:

Kritisch fällt auf, dass viele Artikel bereits aus den `80ern und `90 ern stammen. Vieles ist in der aktuellen systemischen Diskussion bereits usus. Des weiteren sind einige Kapitel nur schwer mit dem systemischen Ansatz in direkte Verbindung zu bringen. Das bereits erwähnte Kapitel zur Gelassenheit ist eher ein Ausdruck eines Weltbildes, als ein profundes Instrument der Systemik (natürlich ist Gelassenheit grundsätzlich eine vorteilhafte Eigenschaft….). Auch ein Kapitel unter dem Titel: „Mutter-Hexe-Trainerin. Was spielt sich ab, wenn eine Frau ein Training leitet?“ beschäftigt sich mit der weiblichen Rolle in diesem Beruf und den auf Gruppenseite ablaufenden Projektionen. Die Verbindung zu gruppendynamischen Regeln weisen auf ihre eigene berufliche Biographie hin und bilden im Gesamtkontext eine nur streifende systemische Verwandtschaft. Auch der Verweis eines Kommentators auf das „Herstellungsjahr“ des Artikels, nämlich 1981, verwundern.

Die Rolle der Frau hat sich nun erfreulicherweise doch- auch trotz archaischer Verwurzelungen unserer Kultur – einige Veränderungen vollzogen und wirkt daher nicht mehr ganz zeitgemäß. Was im Kommentar eines Mannes vehement bestritten wird. Hier scheinen die Herren der Schöpfung fast ängstlich –jedenfalls sehr höflich - gegenüber Frau Königswieser aufzutreten. Übrigens war keine einzige Frau Kommentatorin. Hier fällt positiv, der Kommentar zum Artikel: „Widerspruchintegration als Energiequelle“ von Herrn Varga von Kibed auf. Er wagt freundlich aber deutlich immer wieder Erweiterungen, Nachfragen und Ergänzungen bzgl. einzelner Begriffe und Thesen. Gut ist der Artikel in dem ein Konfliktinterventionsmodell sowohl ganz pragmatisch und praktisch als auch theoretisch fundiert vorgestellt wird.

Insgesamt werden viele verschiedene Themen– etwas wahllos scheinend- aufgegriffen. Die Auswahlkriterien sind jedenfalls nicht klar ausgesprochen.

Als Gesamteindruck bleibt bei der Rezensentin ein ambivalentes Gefühl am Ende stehen: Einerseits hat das werte Lesepublikum die Möglichkeit in viele Themenbereich hineinzuschnuppern. Man kann einfach irgendeines 11 Kapitel aufschlagen und sich so – ohne allzu große Mühe und Vorbereitung – Ideen holen. Die artikelähnlichen Beiträge von Frau Königswieser und ihrem Team, sind meist gut verständlich.

Andererseits sind sämtliche Kommentare von Freunden, Kollegen, oder auch ehemaligen Kunden verfasst, die selbst in ihren versuchsweise kritischen Anmerkungen (s. Kommentar von F. Simon: Er stimmt ihr in einem Artikel der sich um eine Verknüpfung von Gruppendynamik und Systemtheorie bemüht, nicht völlig zu und zweifelt eine Art evolutionärere Weiterentwicklung der Gruppendynamik in Richtung Systemik an) ihre eigenen Einwände fast relativieren. Ein großes Bemühen um Harmonie und Konsens zieht sich durch das Buch. So bleibt es eine Art Selbstbestätigung der Interventionen und sollte als solches eben auch gelesen werden. Und bei der doppelten Darstellung, durch sich selbst und Sympathisanten bleibt die Frage: Wodurch genau wird eigentlich Narzissmus definiert?

Also: wer Frau Königswieser und Ihre Arbeit kennen lernen möchte, hat hier eine gute Möglichkeit – die auch viel allgemein Informatives beinhaltet - dazu. Das „System Königswieser“ stellt sich der Rezensentin jedoch eher als geschlossene Gesellschaft dar und weniger als offenes und irritationsfreundliches System.

 

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