Das World Cafe
Kreative Zukunftsgestaltung in Organisationen und Gesellschaft
Autoren: Juanita Brown / David Isaacs
Verlag: Carl Auer, 2007, 1. Auflage
Immer öfter hört, liest und erlebt am eigenen Leib die Wirkung dieser zeitgemäßen Großgruppen Methode. In diesem etwas aufwendiger gestalteten Band erfahren Sie vieles aus der Entstehungsgeschichte der „Erfinder“, Nützliches für die eigene Anwendung und viele praktische Hinweise und Tipps bei der Umsetzung.
Das World Cafe ist, will man den Autoren glauben, was übrigens recht schnell geschieht, mehr eine Haltung und Überzeugung, denn eine reine Methode. Die Idee ist, dass es so etwas wie kollektives Wissen gibt. Dass es gut ist, wenn möglichst viele Beteiligte in Veränderungsprozessen zu Wort kommen. Dass es fast unwillkürlich zu Anteilnahme und die Entstehung einer Energie von gemeinsamem Engagement kommt, bietet man nur den entsprechenden Rahmen. Dass Veränderung konstruktiv steuerbar ist und sich an dem orientiert was die Menschen wollen. Hier ist also weniger ein direktistisches Vorgehen gemeint, sondern die Fähigkeiten eines Systems zur Selbststeuerung und Selbstentwicklung.
In diesem knapp 200 Seiten starken Buch im DinA4 Format, erfahren Sie so ziemlich alles was man braucht, will man eine Methode wirklich begreifen und praktisch umsetzen. Wobei Sie in jedem der Kapitel weit mehr erfahren als die didaktisch richtig entwickelte Darstellung. Sie erhalten tiefer Einblicke in das Verständnis von „die richtige Frage stellen“, wie funktioniert Verständigung über kulturelle und soziale Grenzen hinweg, was sind die wesentlichen Themen die Menschen beschäftigen und wie kann man Menschen motivieren ihre persönlichen Interessen in ein Größeres einzubringen. Also vieles was – egal welche Methode Sie nutzen um Ihre Organisation voran zu bringen – sowieso bedeutsam ist.
Aufgelockert werden die Texte mit Fotos aus stattgefundenen Veranstaltungen und vielen fröhlichen und inspirierenden kleinen Grafiken und Zeichnungen. In jedem Kapitel kommt zuerst eine Person zu Wort, die in ihrem Unternehmen diese Methode erfolgreich angewendet hat. Sehr praxisnah erfährt das Lesepublikum in welch vielfältigen Kontexten hier gute Erfahrungen gemacht wurden. Diese reichen von politischen Organisationen, große internationalen Unternehmen oder kleineren Nonprofitorganisationen. Auch die Personen selbst sind CEO von großen Firmen, Engagierte in Kunst, Kultur, Gesellschaft und Politik, Berater die eine Aufgabe zu lösen hatten.
Die Kapitel folgen den Kernprinzipien des World Cafes. Nach einer ausführlichen Einführung von Kapitel 1-2 sind es diese:
1. Das Unsichtbare sichtbar machen: Dialog ist unverzichtbar
2. Dialog als Kernprozess: Gemeinsam Unternehmens- und Sozialwert schaffen
3. Kernprinzip 1: Kontext festlegen (Auswahl der Teilnehmer, Festlegung des Zwecks, räumliche Bedingungen klären etc.)
4. Kernprinzip 2: Einen gastfreundlichen Raum schaffen (In einem echten Worldcafes gibt es kleine Tischchen für bis zu 5 Sitzplatzen, eine kleine Blumenvase auf dem Tisch, eine Papiertischdecke und einige bunte Stifte zum Bemalen und schriftlich fixieren was mental in den Gesprächen passiert)
5. Kernprinzip 3: Bedeutsame Fragen bearbeiten (alle die sich mit Systemik beschäftigt haben wissen: Es geht mehr um die richtige Frage als um kluge Antworten. Dies wird hier mit Beispielen unterlegt und gut erklärt.)
6. Kernprinzip 4: Alle zur Mitarbeit einladen (von der Reinigungsfrau bis zum Vorstand, von den Arbeitern und Kindern bis zum Bürgermeister. Das World Cafe sagt: Um eine gemeinsame Lösung zu finden werden alle Perspektiven gebraucht!)
7. Kernprinzip 5: Unterschiedliche Perspektiven austauschen und Verknüpfen (Je unterschiedlicher desto besser. Ein komplexes Netzwerk ermöglicht tiefer gehende Erkenntnisse.)
8. Kernprinzip 6: Gemeinsame Einsichten, Muster und tiefergehende Fragen heraushören (Das Wunder geschieht: Es entstehen Verknüpfungen, Kohärenzen, gemeinsame Erkenntnisse. Dafür lohnt es sich einander genau zuzuhören und die Frage hinter den Dingen zu verstehen.)
9. Kernprinzip 7: Kollektive Erkenntnisse sammeln und teilen ( Am Ende ist es wichtig das Wesentliche der einzelnen Gesprächskreise aufzugreifen und in einen gemeinsamen Kontext zu überführen. Dies geschieht im Plenumsgespräch. Was hierbei zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Kapitel.)
10. Den Cafe-Prozess begleiten: Die Kunst des Gastgebens (Jetzt erfahren Sie endlich wie die praktische Umsetzung funktioniert. Von der Raumgestaltung bis zu den kleinen Ritualen zwischendurch. 4 Personen sitzen um einen Tisch, haben zuvor die grundlegende Fragestellung und das zu lösende Problem gehört und fangen schlicht an, miteinander zu sprechen. Nach ca. 20 Minuten wechseln alle bis auf einen, die Tische. Der sitzen Gebliebene gibt das bisher gesprochene an die Neuankömmlinge weiter, diese berichten aus ihren Gesprächen und so entspinnt sich langsam ein feines unsichtbares Netz innerhalb des Raumes, Ideen verknüpfen sich, es entsteht ein kollektiver Raum des Denkens.)
11. Dialogorientierte Führung: Kollektive Intelligenz fördern (Beziehungen, Kommunikation, die direkte Begegnung sind hier die Schlüsselwörter. Das Prinzip des „Appreciate Inquiry“ fügt sich günstig in diese Methode. Es geht um wertschätzende Haltungen untereinander. Jeder hat seinen Platz im ganzen. Die Aufgabe der Führungskraft ist es die Potenziale zum Vorschein zu bringen, Bedingungen zu schaffen in denen diese fast von alleine hervortreten und so jeder einzelne aufgefordert wird seinen Beitrag zum Gelingen zu tragen. Dieses Wort „Beitrag“ erhält hier sowieso eine besondere Bedeutung. Denn es ermöglicht aktive Teilnahme. Es geht nicht nur um Teilnahme oder Mitarbeit. Sondern um aktives geben.)
12. Der Ruf unserer Zeit: Wir brauchen eine neue Dialogkultur (hier wird die amerikanische Emotionalität spürbar. Es geht um die Schaffung eine neuen und besseren Welt. Um Organisationen in denen Menschen wieder mit Respekt und Fürsorge arbeiten, füreinander da sind und sich gegenseitig fördern. Möglicherweise wird manchem Leser diese fast euphorische Haltung etwas erdrückend scheinen. Es ist aber typisch für Amerikaner, dass sie eben mit Begeisterung ihre Ideen vorantragen und so auch eine emotionale Beteiligung als Botenstoff mitliefern.)
Hier noch ein paar Zitate:
„ Wenn Kommunikation funktionieren soll, müssen Sie das Kommunikationsumfeld bewusst gestalten. Sie müssen gewissermaßen ein Architekt der Wissensökologie werden.“ (S. 65)
„ ..eine wirklich gute Frage zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
· Sie ist einfach und klar formuliert.
· Sie regt zum Nachdenken an.
· Sie setzt Energie frei.
· Sie fokussiert die Erkundung.
· Sie bringt unterschwellige Annahmen und Unterstellungen an die Oberfläche.
· Sie eröffnet neue Möglichkeiten.“ (S. 140)
„…Führungsverantwortliche müssen ihre persönlichen, sozialen und dialogischen Kompetenzen entwickeln,… um Menschen erfolgreich miteinander ins Gespräch zu bringen. Dazu gehört:
- ein Klima schaffen, das zum Erkunden und Entdecken einlädt
- vorschnelle Beurteilungen/Bewertungen zurückstellen
- unerwartete Verknüpfungen zwischen Ideen erkennen…. (S. 158)
Jedes Kapitel endet mit Reflektionsfragen. Hier werden Sie mit Ihrer eigenen Situation konfrontiert und aufgefordert praktisch zu überlegen, wie sie die Thesen des jeweiligen Kapitels ganz konkret morgen umsetzen oder wenigstens testen können.
Grundsätzlich ist diese Methode von 20-2000 Menschen umsetzbar. Die Prinzipien sind immer die Gleichen. Eine faszinierende Möglichkeit zu einem gemeinsam getragenen Vorgehen zu kommen. Auch wenn Sie niemals Großgruppen zu moderieren haben. Dieses Buch ist mehr als eine Methode. Es ist ein Schritt in eine systemisch und sehr menschenfreundlich geprägt Welt des konstruktiven Networkings. Und weit mehr als das.
Die Rezensentin freut sich demnächst bei einem Kongress selbst einmal diese Methode zu erleben. Sie ist mit Sicherheit zeitgemäß, innovativ und äußerst förderlich für vielfältige Problemstellungen. Das Buch wirklich empfehlenswert und auch vom Preis – Leistungsverhältnis absolut angemessen. Inhaltlich geht es ein Philosophische Bereiche ebenso wie in führungsrelevante Fragestellungen hinein und zeigt sich so umfassend als Bereicherung für Führungskräfte und Beraterwelt.