Arbeit am Problem der Arbeit

Eine systemtheoretische Beobachtung für Management und Organisation

Autor: Dirk Osmetz
Verlag: Gabal-Verlag, 1. Auflage, 2003

 
Das Wesentliche auf einen Blick:
Dieses kompakt geschriebene, 290-Seiten lange Handbuch (Paperback, etwas größer als Din A-5) bietet einen anspruchsvollen Crashkurs in Systemtheorie. Für Insider stellt es eine herausfordernde Auseinandersetzung mit dem Begriff „Arbeit“ dar. Der Schwerpunktliegt auf dem Erfassen von systemrelevanten Vorgängen in unserer Gesellschaft. Der Begriff „Arbeit“ bietet hier mehr den Zugang zu dieser Sichtweise. Am Ende öffnet sich der Blick für die praktische Umsetzung im Management.

 
Nun zum Inhalt:
Vorausgeschickt sei die Bemerkung, dass es fast unmöglich erscheint, ein derart komprimiertes Buch noch einmal zusammenzufassen. Daher ist der Rezensentin die Lückenhaftigkeit ihrer Darstellung durchaus bewusst und sie beschränkt sich auf einige Blitzlichter in das Werk hinein.

Der Autor stellt sich mit diesem Titel als sorgfältiger Kenner komplexer  ystemtheoretischer Inhalte dar. Dass dies zugleich seine Dissertation ist, macht die Anhäufung von präzisen Querverweisen, Anmerkungen, Zitaten und Erläuterungen verständlicher. Diese sind jedoch häufig gerade in ihrer Ausführlichkeit (manchmal nimmt eine Erläuterung fast 1/3 Seite in Anspruch) lesenswert und öffnen interessante Horizonte, bzw. einfache Erklärungen.

Das Buch gliedert sich in folgende 7 Hauptkapitel:

1. Die Motivation des Beobachters

2. Die primäre Erkenntnistheorie - der Kalkül der Form

3. Die Beobachtung der Form der Arbeit

4. Die Systemtheorie

5. Das Problem der Arbeit im System

6. Die Arbeit an der Arbeit

7. Der Ausstieg aus der Arbeit

Anhang (hier sind jeweils die Kurzvita von Niklas Luhmann und Heinz von Förster hervorzuheben) und ausführliches Literaturverzeichnis beschließen das Werk.

Die ersten beiden Drittel beschäftigen sich mit einer Einführung in systemtheoretische Gedankenwelten (Stichworte u.a.: Kybernetik 2. Ordnung, Selbstreferenz, Autopoiesis).

Selbst für „professionelle Systemiker“ dürften hier einige Nüsse zu knacken sein. Die komprimierte Verarbeitung erschwert teilweise das Verständnis und setzt Vertrautheit mit dem Konstruktivismus voraus. Bezüge und Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Moral und Rechtssystem werden hergestellt. Die Arbeit stellt sich als Resonanzboden für die umgebenden Umwelten dar. Sie selbst verfügt nicht ausreichend über systemrelevante Eigenschaften, um ein solches schlüssig zu bilden.

Im letzten Drittel wird der Leser für sein Durchhalten belohnt: Endlich eröffnen sich aufgrund der präzisen Vorarbeit im Theorieteil, praktische Impulse für Managementtätigkeiten. Der Begriff des „postheroischen Managements“ gewinnt an Farbe und weist auf eine grundsätzlich neue Führungspersönlichkeit hin. Kausales Denken, das in hergebrachten Führungsmodellen immer noch Usus ist, wird radikal ersetzt durch ein sehr viel bescheideneres Modell: Der Führungsverantwortliche braucht seine Mitarbeiter und hat in erster Linie die Aufgabe sie davon abzuhalten Lösungen zu unterdrücken.

Am Beispiele der „Bienen- versus Fliegenmentalität“ soll dies kurz veranschaulicht werden. (Grundthese ist, dass herkömmlicherweise der „Bienentypus“ aufgrund seines geordneten Fleißes der beliebtere Mitarbeiter ist.) Man lege eine Flasche mit einigen Bienen und eine mit einigen Fliegen auf den Tisch. Die Sonne scheint direkt durch den geschlossenen Flaschenboden herein. Die Bienen werden versuchen an die hellste Stelle zu gelangen und ewig den Flaschenboden absuchen. Die Fliegen werden ziellos herumschwirren und dadurch „zufällig“ ins Freie gelangen. Etwas mehr „Fliegenmentalität“ sollte also auch im Führungsalltag gefördert werden. Die Lösung in diesem Fall ist die Hand des Managers am Flaschenboden, um die Bienen zum dadurch helleren Flaschenhals zu leiten.

Dieses sehr triviale Beispiel zeigt jedoch was Not tut und welche Veränderungen im Selbstbild zeitgemäßer Führungskräfte angezeigt ist.

Der Autor zeigt sich als treuer Schüler von Niklas Luhmann - dieser hätte wohl zu Lebzeiten seine Freude an vorliegendem Buch gehabt. Ebenso fühlt er sich besonders Dirk Baecker und Heinz von Förster verbunden. Die freundliche Kommunikation zwischen Autor und Lesepublikum, macht es etwas einfacher zu folgen. Er „entschuldigt“ sich für manche ausschweifende Geste. Die Worte werden bewusst gewogen und vorsichtig verwendet. Es fällt ihm streckenweise schwer sich auf das eigentliche Thema zu beschränken und so droht ihm die Komplexität der Begriffe zum Verhängnis zu werden. Der Rezensentin half dann nur noch „ausblenden und weiterlesen“.

An wen richtet sich der Autor in erster Linie?

Geeignet für alle, die sich auf hohem Niveau dem systemischen Verständnis von Arbeit nähern möchten. Ebenso Führungskräfte, die bereit sind sich selbst radikal, mit dem Glauben an den richtigen „Führungsstil“, in Frage stellen zu lassen. Berater erhalten automatisch neue und irritierende (was kann ein Systemiker mehr wollen?!) Impulse.

Nicht geeignet ist es für Systemneulinge (da würden wohl die meisten schon nach 4 Seiten das Interesse an Systemik verlieren, was sehr schade wäre). Auch nicht für Pragmatiker, die praktische Entscheidungshilfen von Managementliteratur erwarten (was durchaus berechtigt ist!). Weniger geeignet für „Führungsjunioren“, denn es lohnt sich zuerst eigene Erfahrungen zu machen und sich mit diesen, im 2. Schritt, an vorliegendem Ansatz zu reiben.

Fazit: Wer sich gerne mit anspruchsvoller Kost systemischen Denkens sein Gehirn durchpusten lassen möchte, sollte diese Lektüre zur Hand nehmen.

 

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