Management by Narcissm

Eine traditionelle, doch kaum beschriebene Managementmethode
 

 

Diese  schon länger existierende Managementmethode treibt in manchen Unternehmen ihr Unwesen. Um diesen Possenspieler zu entlarven (es ist eines der Dinge die er am meisten fürchtet: durchschaut und erkannt zu werden), sollen hier einige besonders wirkungsvolle Instrumente aufgezeigt werden, die diese Managementmethode so erfolgreich machen.

Man sollte zwei Hauptausprägungen unterscheiden, auch wenn die meisten Umsetzungen irgendwo dazwischen liegen. 

  1. Narzissmus auf höherem Niveau
  2. Narzissmus auf niedrigem Niveau 

Die erste Ausprägung beschreibt einen intelligenten Menschen der etwas wirklich Großartiges geschaffen hat. Alle die zu seiner Organisation gehören, sind Teil von etwas besonderem.

Die zweite Ausprägung beschreibt eine etwas intelligenzgeminderte Ausprägung. Die Person glaubt etwas besonderes geschaffen zu haben. Alle die zu der Organisation gehören, glauben dies auch. Tatsächlich ist diese Organisation jedoch weder besonders noch in irgendeiner Form großartig. 

Beide sind jedoch wie Narziss, der im eigenen Spiegelbild vor Verzückung dahin schmilzt. Die Funktion der Organisation ist in 1. Linie diese Selbst-Verzückung zu vervielfältigen. 

1. Förderliche Rahmenbedingungen 

Wichtig ist es, ein nach außen hin möglichst geschlossenes System zu errichten. Man gehört eben dazu oder nicht. Die Regeln für die Zugehörigkeit sind jedoch uneindeutig. Selbst die Teilnehmer wissen nicht genau warum sie dazu gehören. Wahrscheinlich, weil das Geld dieser Organisation auf ihr Konto fließt. Doch es können auch Namen dazugehören, die satellitengleich und gesichtslos das Unternehmen umkreisen. 
 

Mit der Zugehörigkeit verbindet sich ein Gefühl von Stolz und Großartigkeit. Man wähnt sich ein wesentlicher Teil von etwas besonderem zu sein, Teil einer besseren, als vergleichbare Organisationen. Dies wird jedoch nie genau überprüft, sondern lebt als Mythos unausgesprochen in der Selbstwahrnehmung. 

Dieses Gefühl von Großartigkeit wird vermittelt durch Hochglanzbroschüren, faszinierende Internetauftritte, Teilhabe an größeren Events und (wenigstens auf dem Papier bestehenden oder virtuellen) Geschäftskontakte zu hervorragenden Unternehmen.

Was kennzeichnet Mitarbeiter solch einer Organisation und macht sie besonders erfolgreich in dieser?

  • Besonders gut geeignet sind Mitarbeiter, die glauben außerhalb der Organisation kaum gute beruflichen Chancen zu haben. Dann sind sie geneigt nicht genauer nachzufragen, bzw. fühlen sich abhängiger vom System. Sie ordnen sich also schneller unter und verharren stillschweigend wie das Kaninchen vor der Schlange. 
  • Vom Persönlichkeitstyp sind sie tendenziell geneigt, die eigene Kompetenz unterzubewerten.
  • Günstig sind wirtschaftlich schwierige Zeiten, in denen man gerne an seinem Arbeitsplatz festhält. Auch in Branchen, die aus unterschiedlichen Gründen, wenig Alternativen für einschlägig ausgebildete Arbeitnehmer haben, sind hier besonders auf der Leitungsebene narzissmusanfällig.

Hier unterscheidet sich die Situation bei der Methode auf höherem, von der auf niedrigem Niveau.

  • Auf höherem Niveau werden gut qualifizierte Mitarbeiter durch deren eigene narzisstische Suche nach Bestätigung gehalten. Ihre Leistungen könnten sicherlich auch in anderen Organisationen erfolgreich genutzt werden. (s.weiter u.g. Unternehmen!)
     
  • Doch das Gefühl der eigenen Großartigkeit wird besonders in diesem System mit Leben gefüllt. So wird der Narzissmus selbst zum gegenseitigen Sekundenkleber der Mitarbeiterbindung.

Grundsätzlich scheinen Mitarbeiter in solch einem Unternehmen eine gewisse Selbstwertverunsicherung in sich zu tragen (wer tut dies nicht irgendwo?). Sie glauben nicht aus sich selbst heraus genügend Wert für die Organisation hervorzubringen. Erst durch die besondere Großartigkeit der Umgebung glauben sie selbst wichtig zu werden. Als ob etwas von dem Glanz auf sie abfällt. Dafür bezahlen sie den Preis des Verlustes der Eigenständigkeit. Sie zahlen also genau damit, was Ihnen ja sowieso schon fehlt.

2. Führungsmethoden, um Mitarbeiter ohne Reibungsverluste auf Linie zu halten 

Um die Mitarbeiter brav und ruhig zu halten, gibt es kaum konsistente Regeln. Weder sind die Arbeitsabläufe konsequent geklärt, noch werden Konflikte transparent geregelt. Prämien, Vergünstigungen werden ohne genaue Begründungen und immer wieder wechselnd in Höhe und Person vergeben. Keiner weiß genau warum er bedacht oder ausgelassen wird. Diesem Schema folgen auch Gehaltserhöhungen, die nur auf starken Druck hin überhaupt gewährt werden. (Bei einer kürzlich von mir besuchten Veranstaltung einer großen amerikanischen Firma brüstete sich der Geschäftsführer damit, dass Mitarbeiter, die wesentliche Neuerfindungen machen, keinerlei Boni oder Prämien erhalten. Ihnen würde alleine "Wertschätzung" zuteil.)
 

Wer genauere Informationen über Internas erhält, ist unklar. Mal weiß der eine mehr, mal ein anderer. Jedes Mal wird dabei die Botschaft vermittelt es nicht weiter zu tragen. Es gibt viele Geheimnisse die jeder kennt. 

Angst ist eines der wichtigen Führungsinstrumente. Sie wird erzeugt durch unscharfe Ankündigungen von neuen Anforderungen. Sie wird gesät in hingeworfenen Bemerkungen, dass bspw. "alle" für Kostensenkungen verantwortlich sind und deshalb mehr Leistung zu bringen hätten. Verschwiegen wird was man genau erwartet. Daher ist es wichtig möglichst unklare und diffuse Zielvereinbarungsgespräche zu führen. Niemand wird sie je überprüfen und der Mitarbeiter muss ständig fürchten sein Ziel nicht zu erreichen. 

Wichtig ist es mit subtilen Drohungen zu arbeiten. Ob diese arbeitsrechtlichen Bestand haben oder nicht, ist zunächst völlig irrelevant. Bis ein Mitarbeiter vom Glauben an die Organisation abfällt und selbst zum Rechtsanwalt geht, muss in der Regel viel Wasser den Rhein hinunterfließen. Und solange wirken diese teils abenteuerlichen Drohungen als subtile Einschüchterung hervorragend. 

Auf jeden Fall dürfen die Mitglieder der Organisation nicht miteinander erfolgreich kommunizieren. Das ist einfach, denn jeder einzelne hält sich für besonders, und besonders von der Leitung bevorzugt. Teamspaltungen sind eines der wesentlichen Instrumente um das Misstrauen untereinander zu schüren. 

Es werden immer wieder Nebenschauplätze von Konfusion, Konflikt oder bewundernswerten Projekten erschaffen. So wird der Blick von den wirklich entscheidenden Faktoren abgezogen.

3. Die Philosophie der ewigen Veränderung zur Bewahrung des Imperiums wird postuliert 

Die Philosophie ist selbstgemacht. Alles existiert in erster Linie rückbezüglich zur sinnstiftenden (obersten) Führungskraft. Diese taucht nur gelegentlich in Erscheinung und erhält dadurch den Nimbus des Übervaters. Warum die Dinge so sind wie sie sind wird jedes Mal neu und anders erklärt. Nichts hat dauerhaften Bestand. Auf nichts kann man sich verlassen. Dies wird selbst zur Philosophie erklärt. So leben alle Mitglieder der Organisation in ständiger Unsicherheit, was sich morgen wieder ändern könnte. Veränderungen werden übrigens nicht angekündigt sondern zum Zeitpunkt X mitgeteilt und als gegeben dargestellt. Dies heißt jedoch nicht, dass sie tatsächlich eintreten. Möglicherweise sind sie kurze Zeit danach vergessen, überholt oder durch andere Veränderungsankündigungen ersetzt. 

Es existieren kaum nachvollziehbare Protokolle. Daher weiß keiner so genau was wann tatsächlich gesagt wurde.
 

4. Resümee, oder: Welches Gegenmittel hilft?

 Letztlich ist das gesamte Unternehmen eine Art Spiegelkabinett und Theaterspiel, das der Initiator für sich selbst aufführt. Die Organisation existiert für ihn oder eine von ihm erwählte Gruppe an Teilnehmern. Alles dient dazu, das Spiel zu perfektionieren und die eigene Position zu stabilisieren. 

Dieses Gespenst genannt „Mangement by Narcissm“ hat nur einen einzigen Feind: der Mitarbeiter, der es durchschaut. Im Moment des Erkennens verliert es schlagartig seine manipulierende Wirkung. Dieser Mitarbeiter muss schnellstmöglich aus dem System entfernt oder mindestens auf eine unwichtige Außenseiterposition verlegt werden. 

Hier sei an den kleinen Riesen in dem Kinderbuch „Jim Knopf und der Lokomotivführer“ erinnert: Der aus der Entfernung riesig wirkende Riese wurde bei dem näher kommen, immer kleiner und schrumpfte schließlich auf fast zwergenhafte Größe zusammen, stand man ihm direkt gegenüber.

Tipps im Umgang:

  • Beginnen Sie damit, sich mit Ihren Kollegen auszutauschen. Fangen Sie an über sich zu sprechen. Über Ihre Befürchtungen. Über Ihre scheinbaren Geheimnisse. Schnell merken Sie, dass es dem Gegenüber ähnlich ergeht. 
  • Treffen Sie mit diesen Personen Abmachungen und für beide Seiten verbindliche Regeln. Und halten Sie sich daran! 
  • Sprechen Sie mit Außenstehenden. Beachten Sie deren Reaktion auf Ihre Geschichte, und sie wird (leider oder glücklicherweise) an Besonderheit verlieren. Der Preis den Sie zahlen für die Entmystifizierung, ist der Verlust Ihrer Großartigkeit. Sie selbst schrumpfen auf Normalgröße zusammen. 
  • Beginnen Sie sich bewusst als existierende Person außerhalb der Organisation zu erleben und benehmen Sie sich auch innerhalb, mit dem Bewusstsein ein eigenständiger Mensch zu sein. Die Marionettenfäden lösen sich von selbst in Luft auf, denn sie sind illusorische Tricks des großen Magiers.
  • Fangen Sie an, sich anderweitig zu bewerben. Überprüfen Sie Ihren Marktwert. Es ist relativ unwahrscheinlich, dass es keinerlei anderweitige Arbeitsmöglichkeiten für Sie gibt. Zumal inzwischen ja auch der aktuelle  Aufschwung in den Unternehmen neue berufliche Chancen bietet.
  • Seien Sie ehrlich mit sich selbst. Bekennen Sie sich zu Ihrem eigenen kleinen Narziss in sich selbst. Wenn Sie Ihr eigenes Spiegelbild lächelnd bejahen, können Sie ein wenig davon Abstand nehmen und erkennen welchen Preis Sie zahlen, für die illusorische Teilhabe an einer Scheinwelt.
  • Möglicherweise werden Sie sich einen neuen Arbeitsplatz suchen wollen.
  • Oder Sie schaffen sich Räume in der Organisation, in der echte Wertschätzung oder auch konkrete Kritik erfahrbar wird. Möglicherweise stößt dies leider nicht nur auf Freude in Ihrer Umgebung. 

Also Vorsicht: Wenden Sie diese Tipps nur an, wenn Sie bereit sind die Konsequenzen zu tragen! 

Je näher Sie das System unter die Lupe nehmen, desto mehr wird es an Macht über Sie verlieren. Sein Einfluss wird fast wie von selbst immer mehr verschwinden. Sie gewinnen Ihre persönliche Integrität zurück.

Der Gewinn: Das vorgestellte Konzept kann ein wirksames Instrument werden, um diesen Scheinriesen zumindest auf Ihre Augenhöhe schrumpfen lassen. Sie selbst gewinnen in jedem Fall an persönlicher Größe dazu!

Viel Erfolg dabei!

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