Management Sozialer Organisationen

Beiträge aus Theorie, Forschung und Praxis – Das Darmstädter Management-Modell

 

Autor: Marlies W. Fröse (Hrsg.), insgesamt 18 Autorinnen und

Autoren aus Wissenschaft und Praxis

Verlag: Haupt, 1. Ausgabe, 2005

 

Mit diesem Buch wird ein weiterer, weitgehend erfolgreicher Schritt, in die

Gegenwart zeitgemäßen Denkens und Handelns im „Sozialen Sektor“ gemacht.

Der Hinweis „nur“ auf die Gegenwart, ist als Kompliment zu verstehen, da die

Zukunft in den häufig verstaubten Strukturen dieser Organisationen, noch

immer meist Zukunftsmusik zu sein scheint.

Wer die sog. NPO`s (Nonprofitorganisationen) von außen betrachtet steht oft

kopfschüttelnd verwundert davor, um sich dann interessanteren und aufregenderen

Dingen zuzuwenden. Wer NPO`S von innen kennt, weiß wie schwerfällig, die häufig an

den öffentlichen Dienst gekoppelten, oder von Spenden und Mitgliedsbeiträgen

finanzierten Organisationen, sich in Richtung 21. Jahrhundert bewegen.

Mit dem vorliegenden, knapp 400 Seiten eng bedruckten Handbuch wird weitgehend klug,

ehrlich und fachlich fundiert der Finger auf die Wunde, dieser immer noch oft veralteten

Strukturen gelegt und Lösungsansätze angedacht.

Die schlechten Nachrichten zuerst:

Manche Beiträge wirken etwas deplaziert. Dies dürfte bei einer Auswahl von insgesamt 18

AutorInnen wohl im Normbereich liegen. Erwähnt sei hier ein Beitrag in englischer Sprache

einer deutschen Autorin: Warum wird er nicht in deutscher Sprache veröffentlicht? Die

Zielgruppe liegt vermutlich zu 99,85% im deutschsprachigen Publikum!

Oder ein Beitrag zur Genderthematik, der sich inhaltlich nicht mit NPO`s beschäftigt,

sondern mit der allgemein gesellschaftlichen – und inzwischen kaum noch nennenswerten

Erkenntnis, dass Männer eben immer noch im öffentlichen Leben, meist das Sagen haben.

Auch etwas negativ fiel der Rezensentin auf, dass nicht einmal 20% der Autoren und

Autorinnen einen ausgewiesenen betriebswirtschaftlichen, sondern in 1. Linie

geisteswissenschaftlichen Hintergrund mitbringen. Dass ökonomisches Know - How gerade

in diesem Sektor Not tut und meist zu kurz kommt, wird hiermit leider bestätigt.

Nun jedoch zu einer Auswahl der Highlights des Buches:

Im ersten Teil (der zu recht fast die Hälfte des Buches einnimmt) geht es um

„Wissenschaft -Theorie –Analyse“:

Vorneweg ein interessanter, wenn auch teils etwas polemisch wirkender, Artikel von Herrn

Glasl. Er empört sich verständlicherweise, über den Werteverfall unserer Gesellschaft, der

im Glauben an den neoliberalen Kapitalismus („ Der heute praktizierte materialistische

Neo-Liberalismus ist nicht irgendein Wirtschaftskonzept neben vielen, sondern er ist zur

herrschenden „Staatsreligion“ der reichen Industrieländer geworden.“ S. 35) zu den

wirtschaftlichen Problemen vieler europäischer Länder geführt hat. Der soziale Sektor hat

Entsorgungsfunktion übernommen, um so dem gesellschaftlichen Prinzip nach Erfolg und

Wachstum zu zuarbeiten. (Dass der soziale Sektor wenig Ansehen genießt und häufig

abschätzig betrachtet wird, hat vielleicht unbewusst mit der Tatsache zu tun, dass hier die

unerwünschten „Nebenprodukte“ des Wachstums- und Erfolgsglaubens dem Betrachter

unmissverständlich vor Augen geführt werden. Anm. der Rezensentin). Sein Plädoyer: Die

gesellschaftlichen Sphären nach drei Prinzipien zu gestalten. Dies sind: Freiheit im

Geistesleben, Gleichheit im Rechtsleben und Geschwisterlichkeit im Wirtschaftsleben.

Diese drei Prinzipien sind in 1. Linie in den benannten Bereichen und nicht nach dem

Gießkannenprinzip, umzusetzen. Lesen Sie selbst wie er dies klug begründet!

Dass Balance Scorecard aufgrund der, kaum eindeutig zu ermittelnden Kennzahlen ein

ungeeignetes Mittel der Qualitätsverbesserung darstellt, wird fachlich sauber und durch

Beispiele fundiert an anderer Stelle nachgewiesen. Erfolg oder Misserfolg ist hier nicht

eindeutig zu definieren und durch die unterschiedlichen Stakeholderansprüche (Finanziers

aus dem öffentlichen Bereich, Mitarbeiter, Kunden, Patienten, Klientel, Mitglieder etc….)

kaum allgemein festzulegen. An diesem Beispiel wird gut veranschaulicht, dass Ideen und

Instrumente aus der Wirtschaft, nicht 1:1 in diesen Bereich zu übertragen sind.

Interessant auch der Beitrag zur Situation in der Pflege. Angesichts der zunehmenden

älteren Generation, sollten bereits heute gerade die, die sich immer noch von der

desaströsen Situation im Pflegebereich abwenden, mit Innovation und Mut, die

notwendige Renovierung in die Hand nehmen. Sie werden es nämlich sein, die morgen

selbst zu Opfern der heute verleugneten Probleme werden.

Der nächste Hauptbereich im Buch ist:

„Persönlichkeitsentwicklung als Führungsaufgabe“

Mit dem ersten Beitrag, wird deutlich und provokant auf zerstörerische unterschwellige

Prozesse (nicht nur in NPO`S) aufmerksam gemacht. Unter dem Titel: „Institutionen und

Organisationen zwischen Angstbindung und Angstproduktion“ werden diese Fragen

gestellt:

Welche Bedeutung hat das Unbewusste in Organisationen? Wie funktioniert Angstbindung

(Angst als wachsendes Phänomen und Ergebnis der „Downsizing-Strategie“)und welche

Auswirkung hat sie? Dieser selbstkritisch (darf man die Psychoanalyse für Organisationen

bemühen?) formulierte Beitrag dürfte für alle Unternehmen interessant sein, die bereit

sind sich hinter die öffentlich postulierte Fassade blicken zu lassen und unbewusste

Prozesse als Realität anerkennen. „Die Aggression, mit der Veränderungen durchgeführt

werden, werden abgewehrt durch die gleichzeitige Publikation von Leitlinien und anderem

mehr.“ (S. 200). Die Unterwerfungsgesten von Mitarbeitern und deren Schweigen zu

Missständen, können als Reaktion dieser teils versteckten Brutalität im Umgang mit der

Belegschaft gewertet werden.

Im dritten Teil: „Praxis: Organisationen und Reflexionen“ wird dann endlich, im letzten

Beitrag, das im Titel angekündigte „Darmstädter Managementmodell“ vorgestellt.

Dieses stellt ein zeitgemäßes und interessantes Studium an der Evangelischen

Fachhochschule Darmstadt dar. Viele Autoren dieses Buches sind auch dort tätig.

Drei Hauptthemen bestimmen die Module: Theorie und Praxis des systemischen

Managements (Unternehmensentwicklung, Identität und Organisation, u.a.),

Sozialwissenschaftliche Grundlagen (Arbeitsrecht, Forschung, Steuerrecht, u.a.) und

Führungskompetenz im Management (Internationale Dimension, Kulturelle und politische

Dimension und Strategische Dimension).

Wenn die ersten Abgänger dann irgendwann auch endlich Führungspositionen innehaben

sollten, kann man zu recht hoffen, dass die Moderne in NPO`s angebrochen ist!

Bei der Bewertung sollen 2 Sterne anzeigen, dass es sich hier um ein positiv

anschlussfähiges Werk an zeitgemäße Managementideen handelt. Manches ist sicherlich

sowohl für Profit- als auch Nonprofitunternehmen interessant. Insgesamt würde für 3

Sterne der vorausschauende und durchweg innovative Charakter noch zu entwickeln sein.

Die Zielgruppe erlaubt kein Ausschlussverfahren:

Jeder, der sich über gesellschaftspolitische Fragestellungen ernsthaft Gedanken macht,

oder sich schlicht aus persönlicher Fürsorge für die eigene Zukunft oder die der

kommenden Generation gefragt sieht, sollte sich das Buch zu Gemüte führen. Gerade die

klugen Köpfe sind dringend eingeladen hier ihren Beitrag zu einer Umgestaltung unserer

vertrackten, wirtschaftlichen Situation leisten. Wenn es stimmt, dass „eine Kette so stark

ist wie das schwächste Glied“, könnte diese Kette mindestens schon Risse haben.

 

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