Bilder der Organisation

Autor: G. Morgan

Verlag: Klett-Cotta, 2000, 4. Auflage

Die Verwendung von Metaphern ist nicht erst durch das zur Zeit so aktuelle Storytelling erfunden. Herr Morgan hat bereits im Jahr 1986 sehr differenziert dieses Instrument genutzt um Organisationen verstehbarer zu machen. Ein vorausschauendes und nach wie vor sehr aktuelles Buch für alle die in und mit Organisationen zu tun haben.

"Was sind eigentlich Organisationen? Wie kann man sich ihnen nähern und wie kann man besser begreifen, nach welchen Regeln sie funktionieren? Organisationen sind vieles gleichzeitig! Diese faszinierende Idee gab den Anstoß zu diesem Buch. Ich glaube, einige der grundlegenden Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen, beruhen auf der Tatsache, dass die Komplexität und Ausgereiftheit unseres Denkens es nicht mit der Komplexität und Differenziertheit der realen Situation aufnehmen kann, mit denen wir es zu tun haben."(S. 499)

Mit diesen Worten beginnt der Autor das letzte Kapitel in seinem Buch. Er wählt nun verschiedene Metaphern, Bilder und Vergleiche, um dem Leser so vielfältige und komplexe Denkansätze wie möglich zu verschaffen. Hier folgt er der Geschichte und erläutert die unterschiedlichen Interpretationen von Unternehmen auf dem Hintergrund politisch-gesellschaftlicher Entwicklungen.

Mechanisierung wird maßgebend: Die Organisation als Maschine
Mit dieser Metapher beschreibt er die eher mechanistischen Führungsstile und bürokratischen Aufbau- und Ablauforganisationen, beginnend bei Friedrich dem Großen (Ende des 18.Jhdt.). Er hat eine Armee geführt und hieraus Führung abgeleitet. Die in dieser Zeit beginnende Bildung von Unternehmen folgte seinem Beispiel. Menschen kann man formen und trainieren.

Die Natur interveniert: Die Organisation als OrganismusZum ersten Mal nimmt man in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts zur Kenntnis, dass das Umfeld einen wesentlichen Einfluss auf die (Miss-) Erfolge des Individuums hat. Die Organisation ist ein offenes System und ähnlich wie ein pflanzlicher Organismus von entsprechenden Umweltbedingungen abhängig. Stichwörter sind heute: Homöostase, Entropie, Struktur, Funktion, Systemevolution... Diese Vorstellung hat sich bis heute in die systemische Denkweise weiterentwickelt und bietet nach wie vor interessante Hypothesen und Sichtweisen. Jetzt beginnt der Autor bereits zu differenzieren, für welche Branche beispielsweise welche Metapher eher geeignet ist, die Abläufe zu interpretieren.

Auf dem Weg zur Selbstorganisation: Die Organisation als Gehirn
Wir nähern uns den 50er Jahren und damit ersten Annahmen, das Gehirn als Bild für Organisationen zu nutzen. Das Stichwort: Kybernetik. Kybernetik bringt uns so einer Kommunikations- und Lerntheorie näher, die vier Hauptprinzipien vertritt. Erstens müssen Systeme die Fähigkeit haben, bedeutende Aspekte ihrer Umwelt zu erfassen, zu überwachen und zu überprüfen. Zweitens müssen sie diese Informationen in Beziehung zu den funktionalen Normen setzen, die das Systemverhalten leiten. Drittens müssen sie bedeutsame Abweichungen von diesen Normen erkennen können. Und viertens müssen sie in der Lage sein, Korrekturmaßnahmen einzuleiten, wenn Diskrepanzen festgestellt werden. " (S. 121) Ab jetzt wird die Rezension etwas straffer. Das Grundprinzip seiner Darstellung zieht sich konstant durch alle Kapitel. Erläuterung des Prinzips, wichtige Persönlichkeiten, die dieses Prinzip untersucht und wissenschaftlich entwickelt haben, Beispiele, wie sich das in Unternehmen darstellt und am Ende jeweils die Stärken und Grenzen der Metapher. 

Die Entstehung sozialer Realitäten: Die Organisation als Kultur
Geschäftsprinzipien, Regeln und geistige Werte prägen die Kultur einer Organisation. Interessen, Konflikt und Macht: Die Organisation als politisches System Es gibt Herrscher und Beherrschte. Betrachtet man die Entwicklung der letzten hundert Jahre, so haben sich durch die Arbeiterbewegung einige Machtverschiebungen ergeben. Doch auch hier sind die politischen Regeln wichtig, um die Aktivitäten der einzelnen Subsysteme begreifen zu können. 

Platos Höhlengleichnis und die Realität: Die Organisation als psychisches Gefängnis.
Gewagte Thesen, die darauf abzielen, unterdrückte Sexualität als Erklärung für Machtspiele zu entlarven, ein bislang noch eher unerforschtes Gebiet. Doch der Autor bleibt nicht bei Freud stehen. Er betrachtet die intrapsychischen Vorgänge und die Impulse aus dem Unbewussten, als grundlegenden Antrieb für das Verhalten von Menschen in Organisationen.

Die Logik der Veränderung: Organisation als Fluss und Wandel
Die Eigenart von Rückkopplungsschleifen, Dialektik und weitere Modelle dienen als Metapher.

Das hässliche Anlitz: Die Organisation als Machtinstrument
Endlich wagt jemand, scharfe Kritik an den subtilen und öffentlichen Machtspielen zu äußern und sachlich richtig nachzuvollziehen. Hierbei blickt er zum einen auf das Thema Ausnutzung der Arbeitskraft mit anschließender Abfallentsorgung. Aber auch auf die subtileren Formen, andere zu manipulieren und im Rahmen der zunehmenden Globalisierung das Individuum und die Natur als Mittel zum Zweck zu gebrauchen. Dass wir heute, im 21. Jahrhundert, vieles als gegeben hinnehmen, war für ihn noch Schreckgespenst und mit der Hoffnung auf Vermeidung verbunden. Parallel sei hier auf das Buch "Ökonomics" verwiesen (wurde auf MWonline auch rezensiert), in dem deutlich gemacht wird, dass die verschriene Globalisierung durchaus auch positive Effekte gerade für die ärmeren Länder hervorbringt. Dies würde man gerne dem Autor schon damals vermittelt haben.

Die Kunst der Organisationsanalyse:
Eine Firma dient als Beispiel für missglückte Organisationsführung und er stellt anschaulich dar, welche Metaphern vielleicht Ausdruck des Aufstiegs und Abstiegs sind. Imaginierung: Eine zukunftsweisende Richtung Wer es bis dahin noch nicht selbst begriffen hat: Eine kleine Gebrauchsanleitung für Berater, wie man nun konkret diese Bilder im Beratungsprozess nutzen kann. 

Fazit: Wirklich lesenswerte 505 Seiten, plus 50 Seiten Literaturhinweise. Betrachtet man das Erscheinungsjahr 1986, so war er sehr vorausschauend. Aus heutiger Sicht gilt alles, was er sagt, uneingeschränkt weiter, manche gesellschaftliche Entwicklung kam jedoch schneller und intensiver (Stichwort Globalisierung) als von ihm vorausgesehen. Vieles, was heute unter dem Stichwort "Systemik" angeblich neu angeboten wird, hat er längst beschrieben und erste theoretische Entwicklungen reflektiert. Zielgruppe: Alle, die ihr Verständnis von Organisationen erweitern wollen und bereit sind, mehrdimensional zu denken.

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