Es könnte auch anders sein

Systemische Variationen in der Teamberatung

Autorinnen: J. Sagebiel, E. Vanhoefer

Frau Sagebiel: Professorin an der FH München, Beraterin
Frau Vanhoefer: Dipl. Soz.Päd., Therapeutin, Geschäftsführerin eines Beratungsunternehmens

Verlag: Carl Auer, 2006, 1. Auflage 

Was tut man als Beraterin eigentlich, wenn Teamentwicklung angefragt ist? Kann man überhaupt Teams entwickeln oder hat man eigentlich kaum Einflussmöglichkeiten auf Prozesse und kann nur begleitend mitlaufen? Auf diese und viele andere Fragen bemühen sich die beiden Autorinnen kompetent um Antwort.
 
 Dass Vorkenntnisse in systemischen Haltungen bei der Lektüre hilfreich sind, ein Interesse in jedem Fall jedoch notwendig ist, soll jedoch vorab gesagt sein. In drei Bereiche untergliedern die Autorinnen ihr Buch: 

  1. Teamberatung:Grundsätzliches zu Organisationen, zur Berechtigung einer solchen Intervention und zum Thema Gruppendynamik wird hier beschrieben. Die Bedeutung von unterschiedlichen Rollen in Gruppen, unterschiedlichen Phasen und Dynamiken, die jeweils unterschiedliche Interventionen erfordern, wird erläutert. Die Autorinnen beziehen sich hier auf die Phasen von Bernstein und Lowy: Sich kennen lernen, Positionsklärungsphase, Vertrautheit, Differenzierung und Auflösung. Für die Berater bedeutet dies: "Diese permanente innere Übung für den Berater, sich als Person ganz auf die Menschen in einem Team einzulassen, selbst offen zu sein, sichtbar mit Gefühlen... - diese Übung ist es, die diese Profession so einzigartig macht. Sie fördert freundliche Gelassenheit und eine gesunde Balance zwischen der eignen Idealisierung und etwaigen Versagensängsten." (S. 37) 
  2. Theoretische Grundlagen: Ausgehend von zwei sehr unterschiedlichen Ansätzen systemischen Denkens leiten sie in diesem als auch im Praxisteil Interpretationen der Teamberatung, Hypothesenbildung und daraus folgende Interventionen ab. Es geht zum einen um die sogenannte "Ontologische Systemtheorie" von Marion Bunge. Hier stehen die Menschen in realen Beziehungen in einer realen Welt. Ein aufeinanderbezogenes Handeln ist getrieben von Wünschen und Bedürfnissen, die ausgehandelt werden müssen. Zum anderen um die "Funktionale Systemtheorie" von Niklas Luhmann. Hier existiert zwar die Welt auch real, kann aber nur im eigenen Weltverständnis konstruiert und interpretiert werden. Menschen haben in Systemen bestimmte Funktionen, die durch spezifische Kommunikationsstrategien aufeinander Bezug nehmen. Beide Theorien führen zu unterschiedlichen Interventionen im Rahmen der Teamberatung und bieten vielfältige Handlungsoptionen. 
     In diesem Kapitel wird auch ein Blick auf das Kompetenzprofil der Berater gelenkt und welche Voraussetzungen nötig sind, um professionell zu reagieren: "Professionalität zeigt sich in der Möglichkeit, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden, nach den genanten Regeln zu suchen und dann - unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen - zu versuchen sie anzuwenden." (S. 122). Und: "Die Balance zwischen Kontext und Kompetenzen verkörpert sich individuelle in der Person der Beraterin als ihr spezifisches Kompetenzprofil." (S. 124). 
  3. Im letzten Teil wird anhand von drei Praxisbeispielen mit konkreten Methoden genau gezeigt, wie Teamberatung aussehen kann. Themen sind hier: Konflikte im Team, ein Team findet sich neu und Teamentwicklung als "incentive". Eindringlich wird auf eine konkrete und saubere Auftragklärung hingewiesen. Hypothesenbildung dient hierbei einzig zu einer anschlussfähigen Intervention und hat dabei keinen Wahrheitsanspruch: "Es geht nicht darum, ihre Richtigkeit zu überprüfen, sondern darum, den passenden Hebel für Veränderung zu finden, der das Team in der konkreten Situation inspiriert und zu einer Erweiterung der Sichtweisen und des Repertoires beiträgt. Danach wird die entsprechende Hypothese überflüssig." (S. 152) 

    Themen wie Umgang mit Macht (Machtformen: Aktionsmacht, Instrumentelle Macht, autoritative Macht, Faktensetzende Macht (S. 101 - 103) und die fünf Wissensebenen der Macht: Beschreibungswissen, Erklärungswissen, Werte- und Kriterienwissen, Veränderungswissen, Evaluationswissen" (S. 117-119)) werden angerissen. Wie gehe ich als Beraterin mit komplexen Machtgefügen um? Wie kann ich "mir selbst treu bleiben", wenn unterschiedliche Aufträge an mich offen oder verdeckt herangetragen werden? 

     Im Rahmen der Carl-Auer-Management-Serie ein weiterer gelungener Beitrag. Schwer Kritik zu finden. Vielleicht wäre im nächsten Schritt interessant, wie ein professionelles Scheitern aussehen könnte. Welche Formen des Scheiterns wird wie von Beraterinnenseite her wahrgenommen werden, wie sieht Scheitern für ein Team aus und welche Konsequenzen - positiver wie negativer Art hat ein (scheinbares) Scheitern für alle Beteiligten?
     
     Zielgruppe ist natürlich die Beraterwelt und alle an Systemik Interessierte. Das Buch ist für eben diese eine Möglichkeit, eigenes Handeln zu reflektieren, das eigene Repertoire zu erweitern und sich im Dschungel von Organisationen einen professionellen Weg zu bahnen. 
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